Die norddeutschen Fans stellten dem Autor 1897 manch knifflige Frage

Kurz vor Weihnachten 1894 erhielt Lisbeth Felber, die Gattin des Hamburger Kaffeehausbesitzers Carl Felber, ein besonderes Geschenk. Der Brief, den der Postbote am Steindamm 9 abgeliefert hatte, trug den Absender: Dr. Karl May. Es war die ersehnte Antwort auf einen Verehrer-Brief, in dem die Hamburgerin den berühmten Schriftsteller gefragt hatte, ob er in seinen Büchern tatsächlich eigene Erlebnisse wiedergegeben habe.

"Ja, ich habe das alles und noch viel mehr erlebt", schrieb der Autor. "Ich unternehme meine Reisen ja ganz anders als diejenigen, welche auf den großen und breiten Karawanenwegen bleiben, wo es keine Gefahr gibt, wo man aber auch nichts leisten kann und Land und Leute niemals richtig kennenlernt."

Es schien also keinen Zweifel zu geben: Der sächsische Reiseschriftsteller war tatsächlich Old Shatterhand, wenn er Amerika, und Kara Ben Nemsi, wenn er den Orient bereiste. Und er war nicht nur ein großer Abenteurer, sondern offenbar auch ein angenehmer Mensch, mit dem Lisbeth Felber bald im regen Briefwechsel stand. Zu ihrer großen Freude kündigte May im Frühjahr 1897 an, dass er zu einem Besuch der Allgemeinen Gartenbau-Ausstellung nach Hamburg kommen wolle. Im Jahr zuvor hatte er ein Haus samt Grundstück in Radebeul gekauft, die "Villa Shatterhand". Auf der Gartenbauausstellung, die vom 1. Mai bis zum 4. Oktober auf den ehemaligen Wallanlagen zwischen Holsten- und Millerntorwall stattfand, suchte er Anregungen zur Gestaltung seines Radebeuler Gartens.

Elisabeth, die damals zwölf Jahre alte Stiefschwester des Caféhausbesitzers Carl Felber, erinnerte sich später: "Old Shatterhand bei uns zu haben musste herrlich sein. Am verabredeten Tag erschien er mit seiner Frau Emma. Es gab eine kleine Enttäuschung, denn wir hatten ihn uns größer und imponierender vorgestellt, aber er war nur mittelgroß und gab sich ganz schlicht und freundlich."

Gemeinsam besuchte man die Ausstellung und unternahm auch Ausflüge, zum Beispiel mit dem damals hoch-modernen Seebäderschiff "Prinzessin Heinrich" auf die Insel Helgoland, wo May im noblen Hotel Berliner Hof begeisterte Leser traf.

Man verstand sich gut, und die Hamburger Familie genoss es, einen so prominenten Gast betreuen zu dürfen. Aber es tauchten auch Fragen auf. Lisbeth Felber sprach den Schriftsteller auf seine zarten und schmalen Hände an. "Herr Doktor, wie machen Sie es nur, mit ihren feinen Händen ihre Gegner niederzuschmettern, dass sie besinnungslos am Boden liegen?"

Diese Frage dürfte Old Shatterhand damals schon häufiger beantwortet haben. Er lächelte seine Gastgeberin freundlich an und erklärte ihr mit großem Ernst: "Ja, wissen Sie, gnädige Frau, es kommt dabei nicht so sehr auf die Größe der geballten Faust als vielmehr auf die Stellung der Fingerknöchel an. Man muss dann nur die richtige Stelle treffen!" Das leuchtete den Felbers ein. Erst drei Jahre nach diesem Hamburg-Besuch wurde die Old-Shatterhand-Legende in Zeitungsberichten in Zweifel gezogen.