Kultursenatorin Barbara Kisseler spricht im Interview darüber, wie sie das Vertrauen der Filmschaffenden zurückgewinnen will.

Berlin. Wenn Barbara Kisseler spricht, schaut sie ihrem Gegenüber fest in die Augen. Ihre Antworten kommen im Eiltempo, dabei ist sie die Ruhe selbst. Gern würde sie sich auf der Berlinale Christian Petzolds Geniestreich im Wettbewerb, "Barbara", anschauen. Allein, die Zeit reicht nicht. Für ein Gespräch über Kinoliebe, Kreativwirtschaft und Kollegen allerdings schon.

Hamburger Abendblatt: "In Hamburg lässt die Liebe zum Kino nicht nach", haben Sie auf dem Hamburger Filmbrunch gesagt. Woran machen Sie das fest?

Barbara Kisseler: Das jüngste Beispiel ist die Wiedereröffnung des Metropolis-Kinos - ein wunderschön wieder hergerichtetes Kino, in dem man sich als Zuschauer absolut wohlfühlt. Wenn es um die Zukunft der Hamburger Kinos geht, ist das immer mit großer öffentlicher Anteilnahme verbunden, wie aktuell mit dem Savoy-Kino.

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Haben Sie das in Ihren Jahren in Berlin denn anders erlebt?

Kisseler: In Berlin wird eine mögliche Kinoschließung nicht mit so viel Herzblut der normalen Kinogänger begleitet. Wenn man in Hamburg keine Perspektive für ein Kino findet, bricht für manche Menschen eine Welt zusammen. Ich kenne kaum eine vergleichbar große Stadt, in der Kino ein solch großes kulturelles Bedürfnis von ganz vielen ist.

Dieser ständige Vergleich mit Berlin - ist der sinnvoll?

Kisseler: Nein, es ist sogar ein idiotischer Vergleich. Man vergleicht unterschiedliche finanzielle Voraussetzungen miteinander, verschiedene Infrastrukturen. Hamburg muss sich auf das Potenzial besinnen, das es hat und die Unverwechselbarkeit des eigenen Profils stärken, anstatt daran zu arbeiten, eine schlechte Kopie von Berlin zu werden.

Wie soll die Stärkung des kulturellen Profils der Stadt denn aussehen, damit es unverwechselbar wird?

Kisseler: Mit dem Etikett Musikstadt Hamburg ist es zum Beispiel gelungen, sich auf die Dinge zu besinnen, die Hamburg ausmachen. Auch wenn die Elbphilharmonie zurzeit oft als Ärgernis wahrgenommen wird, ändert es nichts daran, dass Hamburg damit eine großartige Entscheidung getroffen hat. Dies hat bereits und wird noch weitreichende Konsequenzen haben für den ganzen musikalischen Hintergrund, der die Stadt ausmacht. Die Musikszene in Hamburg hat eine Lebendigkeit, die ihresgleichen sucht. Es ist nicht das Vergnügen einiger Auserwählter, hier macht eine ganze Stadt mit.

Die Hamburger Kulturszene ist eher heterogen. Wollen Sie den Dialog zwischen den einzelnen Sparten intensivieren?

Kisseler: Kommunikation ist etwas, ohne das Kultur nicht funktioniert. Und zwar immer wieder und auf allen Ebenen. In den elf Monaten, in denen ich in Hamburg bin, habe ich versucht, das zu praktizieren. Im Filmbereich etwa habe ich mir alle Filmfestivals angesehen, habe mit allen Filmorganisationen gesprochen, egal ob klein oder groß.

Wer ist besonders unglücklich?

Kisseler: Was heißt unglücklich? Die Bildenden Künstler etwa haben mir erklärt, dass sie ein anderes Selbstverständnis haben als das, was sich unter dem Label Kreativwirtschaft subsumieren lässt. Das verstehe ich vollkommen. Die Grundvoraussetzung in meinem Beruf ist, dass man weiß, wie die Klientel tickt. Genauso wichtig ist, dass die Künstler ihrerseits wissen: Die Kulturbehörde ist nicht irgendein bürokratisches Monster, das keine Ahnung hat, sondern mein Ansprechpartner.

Dafür muss man sich das Vertrauen seiner Klientel erarbeiten.

Kisseler: Wenn ich ein Schiff baue, ist es irgendwann fertig und schwimmt. So funktioniert Kultur aber nicht. Man ist in einem ständigen Prozess, muss immer den Dialog mit den Künstlern suchen. Es gibt nicht den Punkt, an dem man sich zurücklehnen und sagen kann: Jetzt haben wir es geschafft.

Von den Mitgliedern des Senats hat man manchmal den Eindruck, dass sie die Kultur dieser Stadt wenig leidenschaftlich mitverfolgen.

Kisseler: Da muss ich die Mitglieder des Senats in Schutz nehmen. Ich erwarte nicht von jedem Kollegen, dass er mit derselben Empathie auf die Kultur guckt, mit der ich am Werk bin. Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass in der Politik die Erkenntnis wächst, dass Hamburg zu Recht die zweite Kulturmetropole der Republik ist. Im Übrigen habe ich bemerkenswert viele Kollegen, die mir erzählen, was sie gestern Abend im Theater gesehen haben.

Was haben Sie in Ihren persönlichen Gesprächen mit den Filmschaffenden denn erfahren?

Kisseler: Die Kürzung der Filmfördermittel war ein Trauma für die Hamburger Filmschaffenden, das immer noch nachwirkt. Nicht so sehr, weil es weniger Geld gab. Sondern weil es als Zeichen mangelnder Wertschätzung verstanden wurde. Wir arbeiten gerade daran, das wiederherzustellen.

Was bedeutet das?

Kisseler: Wir wollen das Filmfest Hamburg, das wirklich eine Perspektive hat, besser finanziell ausstatten. Dafür wollen wir auch den einen oder anderen Privaten gewinnen, der das ebenso sieht. Man darf sich eben auch nichts vormachen: Wertschätzung ist die Prämisse, auf der alles beruht. Aber irgendwann möchte man die Wertschätzung auch handfest umgemünzt sehen.

Wie weit sind Sie mit diesen Plänen fortgeschritten?

Kisseler: Wir sind auf sehr gutem Weg ...

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