Vom Philharmoniker-Hornisten in Hamburg zum weltweit gefragten Tenor, geht das? Das geht. Wie gut, zeigt Klaus Florian Vogt mit dem CD-Debüt “Helden“

Hamburg. "Er hat ein Grundgefühl für dieses Tier Orchester", sagte der Kölner Generalmusikdirektor Markus Stenz. "Die Sängerwelt als solche war mir suspekt. Die auf der Bühne müssen doch alle ein Rad abhaben ...", meinte er früher einmal. Inzwischen ist Klaus Florian Vogt selbst dort, im Rampenlicht auf vielen der wichtigsten Opernbühnen. Von fehlenden Rädern, die nicht wenige Opernstars aus der Spur trudeln lassen, kann bei ihm allerdings nicht die Rede sein.

Vogt hat sich mit viel Besonnenheit einen Stammplatz dort ersungen, wo zahllose Tenöre gern wären: ganz oben bei Wagner und im deutschen Fach, lyrisch und heldenhaft zugleich. "Auf so einen Wagner-Tenor haben wir gewartet", jubilierte die "FAZ"-Kritikerin Eleonore Büning kürzlich.

Mag ja sein, dass der eine oder andere über eine ähnlich strahlend helle Stimme verfügt, mit denen selbst beinharte Partien wie der Lohengrin und der Stoltzing nur wie ein tiefenentspannter Spaziergang klingen. Doch keiner von ihnen hat erst mit 30 Jahren eine praktisch todsichere Stelle als Erster Hornist bei den Hamburger Philharmonikern aufgegeben, um sich als Spätstarter oberhalb des Orchestergrabens bewähren zu wollen. Erste Erfolge in Flensburg, dann an der Dresdner Semperoper zeigten Vogt, dass der Schritt ins volle Risiko so falsch wohl nicht gewesen war. Und bald danach Senkrechtstart in Bayreuth, dem Allerheiligsten.

Katharina Wagner holte ihn 2007 für ihre "Meistersinger", und im gleichnamigen Porträtfilm, der Vogts Karriere über Jahre verfolgte, gibt es dazu eine hinreißende Szene: Direkt nach der Premiere tuckert Vogt im Smoking, von einem fränkelnden Polizisten im Streifenwagen eskortiert, mit seinem Wohnmobil bis zum Staatsempfang, bei dem ihm die Nebenberufs-Wagnerianerin Angela Merkel gratuliert. Andere Tenöre haben einen Schal als Markenzeichen - Vogt hat seinen Camper, in dem er fernab der Heimat Brunsbüttel viel lieber wohnt als in anonymen Hotels.

Einigen der ehemaligen Philharmoniker-Kollegen begegnet Vogt hin und wieder in Bayreuth, für einen gemeinsamen Auftritt an der Dammtorstraße - er oben, sie vorn - gibt es aber noch keine spruchreifen Pläne. "Schon damals war sein Tenor deutlich herauszuhören", erinnert sich ein anderer Ex-Philharmoniker an die ganz frühen Jahre dieser Doppelkarriere. Der Ex-Klarinettist Michael Lang, inzwischen Intendant der Komödie Winterhuder Fährhaus, war mit dem aus Dithmarschen stammenden Vogt in den 1980ern im Luftwaffen-Musikkorps 4 in Osdorf unter anderem auch zum freiwilligen Singen im "Chor der Flieger" eingeteilt.

Inzwischen kann sich Vogt voll und ganz aussuchen, was er singen will und was nicht. Sehr oft, aber nicht ausschließlich, ist jener Schwanenritter dabei, den man lieber nicht nach seinem Namen befragen sollte. Vogts Auftritt in Hans Neuenfels' Bayreuther "Lohengrin"-Inszenierung war ein Ereignis. Da stand jemand, der ganz in seiner Rolle aufging, getragen und geborgen in dieser süchtig machenden Musik. Kann man sich an Wagner sattsingen? "Das glaube ich nicht, da steckt so viel Tiefe drin, da ergeben sich immer wieder neue Möglichkeiten."

Vogt ist aber auch klug genug, um es sich nicht mit Monokultur in seiner Wagner-Schublade bequem zu machen. Gerade probt er den Cavaradossi für eine "Tosca" an der Deutschen Oper Berlin, auf der etwas übereuphorisch mit dem Titel "Helden" und Ritterschwert dekorierten Debüt-CD findet sich neben viel Wagner und etwas Weber eine "Zauberflöte"-Kostprobe und eine leider nur kleine Dosis aus Korngolds "Die tote Stadt". Vogts Kalender ist für die nächsten drei Jahre gut gefüllt, er sagt mehr ab als zu, doch im Wagner-Jubiläumsjahr 2013 ist es "erstaunlicherweise gar nicht so, dass bei mir ein Wagner den nächsten jagt". Der verdiente Erfolg ist auch an Vogts Unterkunft, die anfangs bescheiden daherkam, nicht spurlos vorbeigegangen: "Das Wohnmobil ist jetzt komplett winterfest."

CD: "Helden" (Sony Classical), Live-Mitschnitt eines Konzerts, Orchester der Deutschen Oper Berlin, Dirigent: Peter Schneider. Am 3.2. erscheint dazu auf DVD der Porträtfilm "Der Meistersinger".