Das schwedische Familiendrama “Mammut“ von Regisseur Lukas Moodysson wirft einen düsteren Blick aufs Bürgertum.
Arthouse-Kinogängern ist der schwedische Regisseur Lukas Moodysson schon lange ein Begriff. Wundervoll sein Debüt "Raus aus Amal" von 1998 über das Coming-out zweier junger Mädchen, beklemmend "Lilja 4-Ever" (2002) über Mädchenhandel und Prostitution, ein wenig zu aufgeregt vielleicht "Zusammen" (2000) über eine schwedische Kommune in den Siebzigerjahren. Nun hat Moodyson seinen ersten englischsprachigen Film inszeniert, mit internationalen Stars wie Gael Garcia Bernal und Michelle Williams, von der Struktur her angelehnt an Alejandro González Inárritus Filme "Amores perros" und "Babel".
Was das bedeutet? Moodysson verwebt alternierend mehrere Geschichten, die nichts miteinander zu tun zu haben scheinen und sich doch an einigen Handlungsscharnieren berühren und verhaken. Williams und Bernal spielen Ellen und Leo, ein wohlhabendes Ehepaar aus New York, dem es an nichts mangelt. Doch der berufliche Erfolg fordert Tribut. Ellen reibt sich als Chirurgin in einem Krankenhaus förmlich auf, schiebt Überstunden, übernimmt die kompliziertesten Fälle. Leo ist als Erfinder von Videospielen steinreich geworden. Wegen eines neuen Deals fliegt er nach Bangkok. Doch die Verhandlungen führen seine Partner. Eigentlich wird er gar nicht gebraucht. So fährt er gelangweilt an einen idyllischen Strand. Hier lernt er Cookie (Runsrinikorchchot) kennen, eine einheimische Prostituierte. Könnte er ihr nicht ein anderes Leben ermöglichen?
Zu Hause kümmert sich das philippinische Kindermädchen Gloria (Marife Necesito) um seine Tochter Jackie (Sophie Nyweide). Gloria musste ihre zwei Söhne auf den Philippinen zurücklassen. In einer exemplarischen, zu durchsichtig geratenen Szene schickt sie ihnen einen Basketball, der - welch Ironie - ausgerechnet auf den Philippinen hergestellt wurde. Moodysson geißelt die Globalisierung, das Gefälle zwischen Arm und Reich, die Abhängigkeit der Dritten von der Ersten Welt.
Mit seiner Kritik macht er es dem Zuschauer aber zu einfach. Da ist nichts, was man noch entdecken oder interpretieren müsste. Alles liegt offen da. Die Welt ist ungerecht, und dagegen lässt sich trotz guten Willens nichts tun. Dieses Bedauern ist als Erkenntnis nach zwei Kinostunden ein bisschen wenig. Man hätte sich "Mammut" ein wenig durchdachter und argumentativer gewünscht, nicht so wehleidig und plakativ. Sogar der Filmtitel ächzt unter seiner Symbollastigkeit. Er bezeichnet einen Füller, der aus dem Elfenbein eines gefrorenen Mammuts hergestellt wurde - und 3000 Dollar kostet.
Die Schwächen des Films ändern aber nichts an den hervorragenden Leistungen der Schauspieler. Gael Garcia Bernal überzeugt als Computernerd, der nie so recht erwachsen geworden ist und das leicht verdiente Geld gar nicht braucht. Seiner Sinnkrise steht er hilflos gegenüber. Michelle Williams, die erst kürzlich in "Wendy und Lucy" noch so fragil war, ist hier die coole, kompetente Ärztin, die irritiert feststellen muss, dass ihre Tochter lieber mit dem Kindermädchen spielt.
Mammut Schweden/Dtl./Dänemark 2009, 125 Min., ab 6 J., R: Lukas Moodysson, D: Gael Garcia Bernal, Michelle Williams, Marife Necesito, täglich im 3001, Koralle; http://mammut.mfa-film.de/pages/intro.php
Beurteilung: annehmbar