Mit David Lieske und Paul Kominek gründete Peter Kersten vor zehn Jahren die Plattenfirma Dial. Als DJ Lawrence legt er House auf - weltweit.

Hamburg. "Musikverliebt". Gern benutzt Peter Kersten dieses Wort. Und es könnte keinen passenderen Begriff geben, wenn der 39-Jährige von seinem Leben als DJ erzählt, von musizierenden Freunden und dem Zehn-Jahres-Jubiläum seiner Plattenfirma Dial. Mit viel Wärme. Ohne Szene-Arroganz.

Auf dem Schreibtisch, in der Ecke des kleinen Plattenladens Smallville auf St. Pauli, dampft Kräutertee zwischen Computer, Vinylsingles und Papieren. Kersten blickt noch müde aus den blauen Augen. Gerade ist er aus Japan heimgekehrt, wo er mit Kollege DJ Koze Klubs mit elektronischen Klängen beschallte.

"Es gibt diesen Leuchtreklamen-Wahnsinn - und dann öffnet man die Tür zu einem Restaurant und fühlt sich um 100 Jahre zurückversetzt", schwärmt er vom Land der aufgehenden Sonne, wo er mit Sieben-Stunden-Schichten an den Plattentellern als Nachtarbeiter aktiv war. Ohne großes Aufsehen im Mainstream haben sich DJs wie er als Hamburger Exportschlager international etabliert. Nach Japan kam Kersten, der sich DJ Lawrence nennt, auf Einladung des befreundeten Labels Mule, nach Buenos Aires wiederum mit dem Goethe-Institut. Eine Art Vorlesung sollte er, quasi als DJ im diplomatischen Dienst, in der argentinischen Hauptstadt halten. "Vor Menschen von 15 bis 70." Mit Musikbeispielen. "Auf einmal stand ein älterer Herr auf und fing an zu tanzen. Das Ganze ist dann in eine kleine Party ausgeartet." Neue Musikverliebte.

Genau diese Offenheit prägt die bisher 20 Alben, die Kersten und seine Kompagnons David Lieske und Paul Kominek seit der Dial-Gründung im Jahr 2000 publiziert haben. Der Fokus liegt auf House, jener wärmer und transzendenter klingenden Schwester des Techno, deren Ursprünge im Disco-Sound der 70er liegen. Musik für jene, die eher traumversunken als aggressiv feiern wollen. So wie Kersten, als er Ende der 80er im Hammerbrooker Klub Front zu DJ-Sets von Koryphäen wie Boris Dlugosch "sechs Stunden mit geschlossenen Augen" tanzte. "Wichtig ist Tiefe. Wenn ein Stück wachsen und man darin eintauchen kann", erklärt er die Passion für die dahindriftende Musik, die ohne klassische Song-Strukturen wie Strophe und Refrain auskommt.

Doch nicht nur Spielarten des House, auch Pop und Songwriter sind bei Dial beheimatet. Oder "ein schrulliges Klavieralbum" wie das von Phantom/Ghost, die mit einem Lied auch auf der Jubiläums-CD "Various Artists. 2010" vertreten sind. Die Klammer, die viele Kenner als "Dial-Sound" bezeichnen, ist aber eher eine emotionale, meint Kersten. Denn das Label ist viel mehr freundschaftliches Künstlernetzwerk als ökonomisch effizientes Projekt. Dial ist eng verknüpft mit dem vor fünf Jahren eröffneten Laden "Smallville", zu dem eine weitere Plattenfirma sowie eine renommierte Partyreihe gehören. Die Adresse in der Hein-Hoyer-Straße fungiere als "Kommunikationszentrale".

"Es gibt eine grenzenlose Liebe zu den Musiken, die uns gefallen", sagt Kersten. Ohne Ironie. Sondern schlicht musikverliebt. Gut könne er sich vorstellen, auch Klassik zu veröffentlichen. Denn neben Hamburger Klubs wie Ego und Pudel ist er auch in der Laeiszhalle anzutreffen.

Wer diesen schmalen Typen in aller Ruhe reden hört, kann sich kaum vorstellen, dass er den Dial-Sound in krawalligen Klubs präsentiert, diesen Sonnabend zum Beispiel im Berliner Berghain, in den die sogenannten Easy-Jet-Raver aus aller Herren Länder pilgern. Den "besten Klub der Welt" hat Kersten jetzt jedoch im japanischen Sapporo gefunden. "Komplett aus Holz. Eine große Wärme - sowohl vom Klang, als auch von den Menschen her." Natürlich handelte es sich um Musikverliebte.

CD "Various Artists - 2010" (Dial), Smallville Records, Hein-Hoyer-Str. 56; Lawrence live: 2.4., Uebel & Gefährlich, weitere Infos: www.myspace.com/dial