Lange Monologe statt spannender Debatte bei der Vorführung des Dokumentarfilms “Warum Israel“ im Uebel und Gefährlich.
Hamburg. Gedränge am Eingang des Uebel & Gefährlich. Und zwar nicht, weil eine angesagte Popcombo ihr Hamburg-Debüt im Bunker-Klub geben würde, die Menschen stauten sich vor den Absperrgittern, um einen dreistündigen Dokumentarfilm aus dem Jahr 1973 zu sehen: Claude Lanzmanns "Warum Israel".
Im Vorwege hatte es bereits viel Aufregung um den Streifen gegeben. Im Oktober verhinderte eine Gruppe Linksradikaler die Aufführung von "Warum Israel" im B-Movie und beschimpfte die Zuschauer, die Lanzmanns Israel-Porträt sehen wollten, als "Judenschweine". Im Dezember fand die Vorführung im B-Movie statt, allerdings gab es außerhalb des Kinos Rangeleien zwischen verschiedenen linken Gruppen.
Wegen dieses beispiellosen Vorgangs von kultureller Zensur hatte das Uebel & Gefährlich eine erneute Vorführung in sein Programm genommen und zur anschließenden Podiumsdiskussion mit dem 84 Jahre alten französischen Journalisten und Dokumentarfilmer eingeladen. Zwischenfälle gab es diesmal nicht.
Zu einer bemerkenswerten Diskussion kam es allerdings auch nicht. Moderator Max Dax, Chefredakteur des Popkultur-Magazins "Spex", war mit der Gesprächsführung überfordert und erstarrte in Ehrfurcht vor Lanzmann. Zwei Fragen nach der Aktualität des Films und seiner künstlerischen Handschrift nutzte der aus Paris eingeflogene Regisseur zu einem 45 Minuten langen Monolog, in dem er viel aus seinem Leben erzählte und nebenbei Werbung für seine im Herbst erscheinende Autobiografie machte. Nicht dass Lanzmanns ausufernde Erzählungen nicht interessant gewesen wären, aber die anderen Podiumsteilnehmer, "Konkret"-Herausgeber Hermann Gremlitza und Kulturtheoretiker Klaus Theweleit, blieben bei dieser fast zweistündigen "Diskussion" nur Randfiguren.
Dabei hätte ein Einwand Gremlitzas eine spannende Nahost-Debatte auslösen können. Er fragte Lanzmann, wo im Film die Palästinenser und die PLO abgeblieben seien. Der Regisseur, selbst jüdischer Herkunft, sagte, dass journalistische Ausgewogenheit nicht sein Interesse gewesen sei: "Man kann nicht auf zwei Feldern gleichzeitig sein. Die Palästinenser müssen selbst Filme über sich machen." Ihm sei es darum gegangen, verschiedene Aspekte jüdischen Lebens zu zeigen und in Israel lebende Juden zu Wort kommen zu lassen, unabhängig davon, ob ihm ihre Antworten gefallen hätten oder nicht. "Warum Israel" sei weit davon entfernt, ein Propagandafilm zu sein. Zu einer aktuellen Diskussion über den Palästina-Konflikt kam es nicht, weil der Stargast sehr deutlich machte, dass er daran kein Interesse habe: "Mit Leichtigkeit macht man aus Israelis Schlächter und aus Palästinensern Opfer. Ich habe keine Lust, darüber zu reden."
Arte zeigt heute, 20.15 Uhr, den 1. Teil von Caude Lanzmanns Doku "Shoah".