Die ARD zeigt heute einen sehenswerten Film über den Kampf der Stasi gegen den Verlag Axel Springer.
Vertraute Feindbilder abzubauen ist schwierig, bisweilen schmerzhaft. Gerade deshalb ist das Bemühen lobenswert. Wenige Feindbilder wirken in Deutschland schon so lange fort wie das Zerrbild, das SED und Stasi seit Anfang der 60er über Axel Springer und seinen Verlag verbreiteten, in dem auch das Abendblatt erscheint. Ab 1967 dominierten Attacken auf das vermeintlich "antidemokratische" und "monopolistische" Zeitungshaus die öffentliche Debatte, was zu Parolen wie "Enteignet Springer!" führte.
Erst jetzt, fast zwei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung, wird dieses Feindbild infrage gestellt. Heute Abend strahlt die ARD die Dokumentation "Bespitzelt Springer!" aus. Der Film von Tilman Jens beruht auf der Studie "Feind-Bild Springer" von Jochen Staadt, Stefan Wolle und Tobias Voigt. Doch setzt der Journalist, der sich bisher gesellschaftlich umstrittenen Themen wie Sterbehilfe oder Scientology gewidmet hat, eigene Akzente. So gelang es ihm, mit der Spionin im Verlegerbüro Axel Springers, Marie R. alias "Rosie", zu sprechen - sie bestreitet die belegten Vorwürfe allerdings entschieden. Auch ihren "Romeo", IM "Gerd", trieb Jens auf - doch er war nicht zum Interview bereit.
Die Spione von einst äußern sich nicht zu ihren Verstrickungen - für Tilman Jens bemerkenswert, wie er in einer Diskussion am Montagabend sagte. Dabei musste er sich harsche Vorwürfe anhören - vom Schriftsteller und einstigen Mitorganisator des "Springer-Tribunals", Peter Schneider, der in dem Film eine "Heiligenlegende" zu erkennen glaubte, und vom Ex-SDS-Aktivisten Tilman Fichter, der Jens intolerant "Thema verfehlt!" attestierte.
Der zweite Schwerpunkt des Films liegt auf der Diffamierung des Verlegers, die das DDR-Fernsehen mit dem ungeheuren Aufwand von zehn Millionen Ost-Mark in dem Spielfilm "Axel Cäsar Springer" produzierte. Der Fünfteiler griff in die unterste Schublade. Der Staatsfeind Springer wurde als Marionette alter Nazis oder Banker wie Hermann Josef Abs gezeichnet, als impotenter Lebemann und als Homosexueller. Wie fast alle Vorwürfe war auch das erfunden.
Eine gewisse Unwucht bekommt Jens' Dokumentation durch die Dominanz dieser bewegten Bilder. Auch hätte man sich manchmal gewünscht, dass der Filmemacher etwas mehr hinter die Kulissen schaut. So stellt er übergangslos gegenüber, dass der seinerzeit verantwortliche Drehbuchautor die Mitarbeit der Stasi am Anti-Springer-Fünfteiler bestreitet, die der Historiker Jochen Staadt jedoch belegen kann, wie er im Interview sagt.
Tilman Jens ist eine sehenswerte Dokumentation über den Kampf der Stasi gegen den zur Einheit stehenden Verlag gelungen. Hier könnte man anknüpfen, um weitere Feindbilder aus der Zeit der Teilung mit der Realität zu konfrontieren. Themen gäbe es genug - nicht nur, aber auch über Axel Springer.
"Bespitzelt Springer!", ARD, 23.15 Uhr