Bekannt wurde er 1979 mit Dschingis Khan. Zuletzt webte Leslie Mandoki Klangteppiche für Autohersteller. Jetzt schrieb er den Wahlkampfsong für Angela Merkel.
Joachim Mischke traf den Ungarn, der zum Vollblutbayern wurde, am Starnberger See.
Das habe ich nicht für die CDU gemacht, sondern für Deutschland." Solch einen Satz mit Übergröße muss man erst mal pathosfrei von sich geben können. Leslie Mandoki hat damit aber so wenig Probleme, dass man nur staunen kann.
Wovon spricht der Mann eigentlich? Warten wir noch etwas ab.
Leslie Mandoki, war das nicht ...? Stimmt genau. Mandoki (besonderes Kennzeichen: eine Frisur wie auf einem Führerschein-Foto aus den frühen 70ern) gehörte zu Dschingis Khan, jener Handvoll Mumpitz-Mongolen, die der Schlager-Mogul Ralph Siegel 1979 auf den Grand Prix (Platz vier) los und sinnfrei "He Reiter, ho Reiter, he Reiter, immer weiter" krakeelen ließ.
Die Klamauk-Truppe zerfiel nach sechs Jahren und etlichen Rummelplatz-Hits. "Ich war eine totale Fehlbesetzung, ein guter Musiker, der nicht tanzen kann", meint Mandoki heute aus sicherem Abstand dazu. Die anderen hatten sich mit dieser Knallchargen-Nummer für den Rest ihres Berufslebens lächerlich gemacht. Mandoki, als Geschäftsmann ein First-Class-Cleverle, stieg vom Mongolen-Gaul und machte eine ernsthafte und gut dotierte Solo-Karriere - als Komponist, Produzent, Bandleader, Automarken-Vertoner und neuerdings auch als Wir-Gefühl-Verstärker für die CDU und "Frau Dr. Merkel", die er ohne einen Hauch von Wenn oder Aber verehrt.
Wir nähern uns mandokiartig, wortreich, professionell charmant und mit vielen Umkreisungen also, dem Thema. Ein bisschen Geduld noch. Ist gleich soweit.
Wir sitzen ja auch nicht irgendwo, sondern in jener Region Deutschlands, in der statistisch gesehen die meisten Millionäre residieren, am Starnberger See. Genauer gesagt, in einem Tutzinger Lokal am Starnberger See, dessen Wände tapeziert sind mit Fotos des gut gelaunten Promi-Wirts neben seinen pumperlgsunden Promis. Na servus, wir sind im Beckenbauer- und Waldihartmannland, denkt man sich als Nordlicht und sieht sich das Ganze als Mischung aus Folklore und Freiluft-Theater dankbar an. Auf dem Foto der Ex-SPD-Größe Rudolf Scharping klebt ein Erklär-Zettelchen mit seinem Namen. Nur Nicht-Bayern oder Sozen würden so etwas als leicht hinterfotzig bezeichnen.
Ähnlich viele Ego-Trophäen hat auch Mandoki in den Gängen seines "Red Rock"-Studios hängen, eine Mischung aus "Bunte"-Personenverzeichnis und Goldenen Schallplatten. Wie viele es sind, zählt Mandoki nicht mehr. Dafür könnte er aber alle dazugehörigen Geschichten garantiert ohne Punkt oder Komma und mit ungarisch gefärbtem Deutsch aufzählen.
Wer so viele "sährr, sährr gutäh Freundä" hat wie der konservative Bayern-Bono aus Budapest, dem können Kritiker längst wurscht sein. Brotjobs wie der Casting-Show-Pop der "No Angels"? Mittel zum besseren Zweck. "Davon hab' ich ein paar wunderbare Jazz-Alben finanzieren können, damit quersubventioniere ich Kunst."
Ein akuter Grund für den Lokaltermin in der Nachbarschaft von Peter Maffays Tutzinger Anwesen ist Mandokis neues Jazzrock-Album "Aquarelle" (siehe Kasten rechts). Ein chronischer Grund ist die weißblau schillernde Karriere, die der gebürtige Ungar seit seiner Diktatur-Flucht 1975 mit seiner Vom-Tanzmusiker-zum-Star-Produzenten-Vita vorzuweisen hat. "Gorbatschow war der erste Russe, den ich ohne Maschinengewehr gesehen habe." Wieder so ein nicht gerade kleiner Satz, und jetzt sind wir auch beim Thema.
Von Haus aus ist Mandoki Schlagzeuger, doch inzwischen ist der 56-Jährige Ehemann einer Ärztin und Vater dreier Kinder auch ein Virtuose auf der Klaviatur der Kontakte und Möglichkeiten in vielen Chefetagen der deutschen Wirtschaft, insbesondere bei Größen wie Mercedes oder VW.
Der Herzschlag aus den Audi-Spots stammt aus Mandokis Vertragswerkstatt vor den Toren Münchens, ebenso eine halbstündige, dreisätzige Symphonie, die er zur 100-Jahr-Feier des Konzerns auffahren ließ. In dieser Woche sind Mandoki und seine Mitarbeiter bei der IAA in Frankfurt gefragt, denn dort wollen alle Pressekonferenzen und Messestände des VW-Konzerns mit jeweils markengerechter Musik versorgt sein. Wie man das macht und warum? Ganz einfach, auf Mandokisch: "Musik transportiert Emotionen." Und da die meisten Autos Menschen transportieren, was läge da näher, als das eine möglichst ansprechend und passend mit dem anderen zu verbinden. Sogar Mecklenburg-Vorpommern hat Mandoki engagiert, um für eine Tourismusmesse eine Musik zu bekommen, die möglichst weit weg sein soll von deprimierendem Moll und dem Wirtschafts-Blues jener Landschaft, die ja nicht gerade flächendeckend blüht.
Der Vergleich, er sei "der VW der Rockmusik", stimme absolut, findet Mandoki, der sich bei diesem Thema hochtourig begeistern kann. "Leidenschaft", "Fokus", "dedication", "pushing it to the limit", "wunderbare Ingenieurskunst", "urgermanische Tugenden" - es hagelt jetzt geradezu Vokabeln aus dem Motivationsseminar. Die Führungskraft, in deren Ohren dieses Loblied, erst recht in diesen garstigen Zeiten, nicht reichlich wunderbar klingt, die muss wohl erst noch geboren werden.
Die Frage, ob er so nicht seine freigeistige Künstlerseele an den Meistbietenden verscherbelt, nutzt Mandoki zum Kontern: "Wissen Sie, was ein Sellout ist? Zu einer Plattenfirma zu gehen, und da kommt dann ein ehemaliger Türsteher, der jetzt Manager ist, und erzählt mir, wie meine Musik sein soll und wo es pumpen muss! Wie traumhaft ist es denn für einen akademisch gebildeten Musiker, bei großen Firmen mit Akademikern auf der gleichen kulturellen Basis zusammenzuarbeiten? Jeder kennt Bartók und Liszt, jeder hat Kant gelesen, ist das nicht ein Traum? Muss ich unbedingt mit ungebildeten Menschen zusammenarbeiten? Hey, das ist Heimat! Künstler oder Dienstleister? Ich bin künstlerischer Dienstleister. Ich muss mich selbst ernähren, meine Kinder und meine Mitarbeiter. Deswegen bin ich mit allergrößter Begeisterung Künstler für meinen Auftraggeber, weil ich das ganz große Glück habe, dass nie ein Sell-out stattfinden muss. Mag sein, dass auf anderen Ebenen so etwas stattfindet - wo ich unterwegs bin, ist das niemals vorgekommen. Da war ich immer der Künstler. Das ist mein Weg."
Und das war nur die Kurzfassung der Antwort.
Weiter im Thema. Vor einigen Monaten bekam Mandoki einen Anruf. Nicht aus Hollywood, wo man ihn übrigens auch schon länger durch seine Arbeiten für Disney kennt, nein, aus Berlin, vom völlig glamourunverdächtigeren CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Der fragte, ob man sich nicht mal treffen könnte. Mandoki sagte zu, klar doch, und fuhr nach Berlin. "Ich hab' mir angehört, was sie machen und es ihnen geglaubt", raunt es aus ihm, "und ich bin ein misstrauischer Mensch." Das Ende dieses Lieds war ein "Ja" und eine Portion Propaganda-Pop, der natürlich sehr emotionale Song "Wir sind wir". Bei der Nachfrage, ob die CSU schon nach einem "Mir san mir"-Remix angefragt hat, muss Mandoki dann doch lautstark feixen. Das nicht, aber "der Seehofer" habe ihm schmunzelnd gratuliert, dass dieses Lied von einem Bayern stamme. Auch für den CDU-Wahlkampf-Auftakt Anfang September in Düsseldorf lieferte Mandoki die musikalische Verpackung. So gesehen, sind Karossen von Kanzlerinnen offenbar nur ein kleines Intervall entfernt. Der Tonfall kann ähnlich bleiben. Hauptsache, immer mit Vollgas ran an die Emotionen. Und dass die politischen Herzen der "Soulmates"-Kumpel, mit denen er sein Album eingespielt hat, allesamt viel weiter links schlagen als das eigene, ist in dieser Hinsicht kein Problem, sondern eher eine amüsante Petitesse am Rande.
Einem Kollegen von der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" hat Mandoki, wahrscheinlich im gleichen Restaurant mit Seeblick, einen Satz geschenkt, der so auch nur hier, das idyllische Panorama vor Augen, tieferen Sinn macht: "Ich habe Verständnis für Menschen, die nicht in Bayern leben." Mag sein, dass Selfmade-Erfolgs-Geschichten, wie Mandoki sie verkörpert, auch jenseits des weißblauen Wertesystems möglich wären. Wenn, dann aber garantiert nicht so raffiniert.
Das letzte klärende Wort dazu hat der Modell-Bajuware selbst: "Ich habe Verständnis dafür, dass das, was hier in Bayern passiert, nicht vermittelbar ist."