Trotz markiger Ankündigungen zündeten kaum Gags. Da halfen auch Schmidts Ko-Stars nicht weiter.
Köln. Die Zeiten, in denen man alljährlich Harald Schmidts Rückkehr aus der Sommerpause herbeisehnte, liegen lange zurück. Schon bei seinen letzten Solo-Auftritten im Ersten wirkte der Mann merklich lust- und ideenlos. Und aus seiner letztjährigen Sommerfrische hätte der ehemals schmutzige Harry eigentlich überhaupt nicht mehr auf den Bildschirm zurückzukommen brauchen. "Schmidt & Pocher" - das war ein einziges Missverständnis. Mehr nicht. Aber gestern durfte man doch einigermaßen gespannt sein, wie der neue Schmidt zum Saisonstart aus den Kulissen kommen würde.
Schließlich hatte Schmidt im Vorfeld gelobt, sich fortan nur noch um Kultur und Politik ("ein Themenspektrum zwischen Afghanistan und Burgtheater") zu kümmern und keine plappernden Sternchen mehr zu hofieren, die nur eine neue TV-Serie bewerben wollen. Die Rückkehr zur klassischen Late-Night-Show (woran zuletzt nur der Sendeplatz erinnerte) hatte er angekündigt und markig hinzugefügt, er habe wieder "große Lust, Blut zu trinken". Also war eigentlich alles bereitet für ein amüsantes Schlachtfest.
Und als er (Bart, dunkler Anzug, lila Krawatte) gestern das sparsam umdekorierte Studio betrat, legte er auch gleich ein Tempo vor, das hoffen ließ. Da geißelte er den müden Wahlkampf ("Einmal hat es richtig gefunkt in diesem Wahlkampf. Das war die Landung von Müntefering in Stuttgart") und machte sich über das harmonische TV-Duell zwischen Merkel und Steinmeier lustig ("Jetzt wissen wir endlich, wie der Ehemann von Frau Merkel aussieht"). Und für den ersten Einspieler wurden die Statements aus der ARD-Diskussion mit Oskar Lafontaine, Jürgen Trittin und Guido Westerwelle zu einem absurden Zahlenfeuerwerk zusammengeschnitten. Eine wunderbare Fleißarbeit. Und natürlich durfte auch Sigmar Gabriels Talkshow-Versprecher in der Parade der Fehlleistungen nicht fehlen: "Nicht geborene Mütter kriegen nicht geborene Frauen." So etwas macht Stefan Raab in "TV total" zwar auch, aber egal.
Nach diesem doch einigermaßen feurigen Intro hätte man als Zuschauer nun wirklich nicht gedacht, die Highlights der Show bereits hinter sich zu haben. Doch dem war leider so. Denn vor allem die Beiträge und Einspielfilmchen mit Schmidts neuen Zuarbeitern wollten so gar nicht zünden. Caroline Kornelis Beitrag über die FDP bewegte sich mit dem Scherz "Die einzige Partei, bei der schon mal ein Spitzenpolitiker vom Himmel gefallen ist" hart am Rande der Geschmacklosigkeit, und der Film, in dem Ordnungshüter ein paar Wildgriller in einem Park ermahnten, war nun wirklich nicht komisch. Dazu durfte Katrin Bauerfeind den imaginären Bruder von Peter Scholl-Latour, den Schmidt im Kampfanzug und mit MG selbst mimte, zur Lage in Afghanistan befragen. Auch wenn Schmidts Genuschel durchaus passabel klang: Imitatoren gibt's bessere und ohnehin zu viele.
Auch als Bauerfeind später im Studio mit ernster Miene noch Gaga-Kunst erläuterte oder als Pseudo-Filmkritikerin Lars van Triers "Antichrist" als "netten Tierfilm" ausgab und "Wickie und die starken Männer" als blutrünstiges Spektakel geißelte, suchte man den Moment zum Lachen vergebens. Zwischendurch betrieb Schmidt ein bisschen intellektuelles Name-Dropping von Marcel Duchamp bis Michel Foucault und kündigte einen neuen Film von Doris Heinze an. Titel: "Wo der Mann noch selbst schreibt." Ein ziemlich zahnloser Scherz. Wie so viele an diesem seltsam blutleeren Abend.
Sich zum Comebackversuch als ersten Studiogast den T-Shirt-Fabrikanten und schwäbischen Landsmann Wolfgang Grupp ins Studio zu holen mag man seltsam oder mutig nennen. Schließlich steht der Mann mit dem akkuraten Seitenscheitel weder für Glamour, noch hat er sich in Talkshows bislang als Entertainer hervorgetan. Diesem Ruf wurde er auch gestern in jeder Hinsicht gerecht. Schmidt erwies dem Gast brav seine Reverenz ("Ich habe Sie schon immer bewundert") und plauderte anschließend über den Standort Deutschland. Da durfte man erfahren, dass Grupp CDU wählt, dennoch für den Mindestlohn ist und von der Emanzipation der Frau nicht allzu viel hält. Der brave Mann ließ sich nicht aus der Reserve locken, sondern bot dem Gastgeber zum Abschied einen Platz in seiner Familiengruft an. So weit ist es mit Harald Schmidt zwar noch nicht, aber so richtig lebendig wirkte er gestern eigentlich nur zehn Minuten lang.
Und Oliver Pocher? Kein Wort zu Pocher. Im Foyer des Kölner Studios ist das einstige Komiker-Duo auf einem Gemälde verewigt. Auf dem Bild ist Pocher inzwischen kopflos. Nicht auszuschließen, dass Schmidt ihm persönlich die Rübe abgerissen hat. Aber wenn seine Show gut werden soll, muss er schon anderen Potentaten den Kopf abreißen als Oliver Pocher.