Regisseurin Jette Steckel und ihr Ensemble erzählen mit viel Fantasie von einer Flucht.
Hamburg. Viele fantasievolle Regie-Einfälle, tolle Schauspielleistungen, aber leider kein überragendes Stück, das ist "Die Welt ist groß und Rettung lauert überall", eine Dramatisierung von Ilija Trojanows Flüchtlingsroman, die Regisseurin Jette Steckel jetzt im Thalia Gaußstraße als Koproduktion mit den Salzburger Festspielen herausbrachte. Spaß macht der launige, anregende, ideenreiche Abend. Trotz vieler disparater Elemente und Miniaturen, die kein rundes Ganzes ergeben, und zweieinhalb Stunden Dauer. Thematisch beschäftigt er sich bruchstückhaft mit Emigrantenschicksalen, Neuanfängen und Fremdsein, aber er lebt von der Frische und Spielfreude des Ensembles, allen voran Bruno Cathomas als süffiger Entertainer und Balkan-Karikatur Bai Dan mit Schmerbauch, Schmierhaar und Schnurrbart und Jörg Pohl als eindrucksvoll ungezwungener Alexandar, Sohn des Flüchtlingspaars.
Trojanow skizziert in seinem Roman die Fluchtbewegungen seiner eigenen Familie vom Balkan in ein Flüchtlingslager nach Italien und später nach Deutschland, wo die Eltern zu bescheidenem Wohlstand kommen, dann aber mit dem ersten "richtigen" Auto tödlich verunglücken. Sohn Alex überlebt als 20-Jähriger, verbringt seine Zeit eingemüllt und eingehüllt vor dem Fernseher, bis ihn sein Taufpate Bai Dan wieder ins Leben zurückholt.
Zu Beginn ist die von Florian Lösche entworfene Bühne ein weites Maisfeld, später ersticken Alex und Bai Dan beinahe unter einem gigantischen Popcorn-Berg. Sitzen die Bulgaren anfangs noch musikalisch beflügelt (live: Mark Badur, Ulrich Kodjo Wendt) in der üppig wuchernden Natur bei ihren Würfelspielen, können sie das Leben im Westen nur noch als Hütchenspieler verbringen. Alex' Mutter Jana (Lisa Hagmeister), eine von sechs Töchtern von Slatka (Verena Reichhardt), verliebt sich in Vasco (Mirco Kreibich) und flüchtet zögerlich mit Mann und Sohn über die Grenze. Später flieht Bai Dan mit Alex über die Alpen. Für jede Veränderung findet Steckel überraschende Bilder, erzielt mit einfachen Mitteln große Wirkung. Zwei Lenker etwa und eine Windmaschine reichen, um Befreiung anzudeuten.
Bruno Cathomas ist ein listiger, gummiballartiger Tausendsassa, der kokett Mitspieler und Zuschauer foppt. Auch Pohl und Kreibich sind zwei Neuzugänge im Ensemble, von denen man sich viel erhoffen darf. Nach einer Woche Thalia unter neuer Leitung weiß man jetzt: Da geht noch sehr viel mehr.