Ein halbes Jahr nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs werden rund 350 Millionen für die Restaurierung des geretteten Materials benötigt.
Köln. Genau ein halbes Jahr nach dem Einsturz des Historischen Stadtarchivs in Köln hat Kulturdezernent Georg Quander den Vorwurf scharf zurückgewiesen, die Schäden am Archivgut würden bagatellisiert. Man habe völlig korrekt erklärt, es seien 85 Prozent des Archivguts geborgen worden, sagte er am Donnerstag vor der Presse.
Das Wort „geborgen“ gebe jedoch keine Auskunft darüber, in welchem Zustand sich das Material befinde. „Auch Leichen werden geborgen, da erwartet niemand, dass sie anschließend wieder zum Leben erweckt werden.“
Von dem geborgenen Material wiesen 35 Prozent schwerste Schäden auf, 50 Prozent schwere und mittlere Schäden und nur 15 Prozent leichte Schäden, sagte Quander. Zehn Prozent des nicht geborgenen Materials befänden sich noch immer am Unglücksort unter dem Grundwasserpegel, bei fünf Prozent sei mit einem Totalverlust zu rechnen. 350 Millionen Euro seien für die Restaurierung und Aufarbeitung des Materials nötig, schätzt Quander.
Chefrestauratorin Nadine Thiel gab an, die Restaurierung des Materials werde Jahrzehnte in Anspruch nehmen. „Wenn ich 200 Restauratoren ununterbrochen im Einsatz hätte, würden wir 30 Jahre lang brauchen“, beschrieb sie den Umfang der Arbeiten. Tatsächlich zur Verfügung stehen ihr jedoch nur vier weitere Mitarbeiter.
Man habe vor, die Restaurierungseinrichtungen an öffentlichen und privaten Institutionen im In- und Ausland zu nutzen, sagte Archivleiterin Bettina Schmidt-Czaia. Bei öffentlichen Instituten seien bereits 50 Plätze angemietet worden.
Zur Finanzierung der Restaurierung soll in einer Ratssitzung am 10. September die Gründung einer Stiftung beschlossen werden, deren Ziel nicht nur die Restaurierung, sondern auch die Zusammenführung und Digitalisierung der Archivalien sein sollen, die im Moment bundesweit in 20 verschiedenen Archiven zwischenlagern.
Der Rat der Stadt Köln soll ein Stiftungskapital von zwei Millionen Euro sowie eine Spende von drei Millionen Euro einbringen. Private Spender seien sehr willkommen, hieß es. Hauptträger des Wiederaufbaus des Archiv müssten jedoch das das Land NRW und der Bund sein, sagte Quander.
Archivleiterin Schmidt-Czaia betonte, die Erstversorgung des Archivmaterials müsse als Erfolgsgeschichte gewertet werden. Mehr als 1.800 Helfer aus dem In- und Ausland seien unermüdlich im Einsatz gewesen. Es sei sogar zweimal eine sogenannte Blue Shield-Mission zum Einsatz gekommen, eine Art Rotes Kreuz für Kulturgüter, die im Auftrag der UNESCO erfolgt sei.