“Es ist, als wären wir durch das Passieren des gelben Ortsschilds in einer anderen Galaxie gelandet“: Abendblatt-Reporter Holger True ist in Wacken mitten drin.

Wacken. Der dritte Tag in Wacken und alles ist gut. Okay, die Nacht dauerte lediglich von drei bis sieben und Flüssigkeitsverluste wurden nicht nur durch Mineralwasser ausgeglichen, aber dafür geht’s uns wirklich prima. Jedenfalls nach dem ersten Kaffee (2,50 Euro der Halbliterbecher). Da der Kofferraum noch mit ausreichend Getränken gefüllt ist, können wir uns den Einkaufsabstecher in den Ort sparen. Gut so, denn wer da seine Bier-, Cola- oder Kornvorräte aufstocken will, braucht viel Geduld. Erst in der Schlange am Geldautomaten, dann in der Schlange vor dem Edeka-Markt.

Und Geduld ist an diesem Morgen nicht unsere Stärke, weil soooo vieles gehört und gesehen werden will. Zum Beispiel der Metal Markt, auf dem zahlreiche Händler alles anbieten, was das Headbanger-Herz begehrt. Ob T-Shirts, rare CDs und Schallplatten, Aufnäher, DVDs oder Trinkhörner: ein Einkaufsparadies für Metalfans. Und eines, das für viele Besucher eine ganz spezielle Anziehungskraft ausübt, stehen in einem Nebenzelt doch viermal am Tag Stripperinnen auf der Bühne.

Den „Strip am Morgen“ wollen wir uns auch mal geben, schaffen es aber nicht mehr in die erste, zweite oder wenigstens dritte Reihe, denn da haben andere ihr Revier längst abgesteckt. „Laufen eure Kameras und sind die Hosen offen?“ fragt der Moderator grinsend ins hormongeschwängerte Rund, bevor eine junge Frau, die wohl Nancy heißt, sich auf den Laufsteg begibt und zeigt, was sie hat (Kurven, die möglicherweise kein reines Gottesgeschenk sind) und worauf sie verzichten kann (große Teile ihrer ohnehin spärlichen Bekleidung).

Geschätzte 100 Handy-Kameras zeichnen jede ihrer Bewegungen auf, aber uns ist das nun doch eine Spur zu billig und wir ziehen lieber weiter vor die Konzertbühnen. Hier hören wir noch den letzten Nackenbrecher von Einherjer, die mit ihrem hymnischen Viking-Metal für einen sehr ordentlichen Frühstart sorgen.

Inzwischen knallt die Sonne vom Himmel und es heißt, ein schattiges Plätzchen zu finden, bis auf der Black Stage Cathedral loslegen. Die Band von Sänger Lee Dorrian zählte zu den Begründern der Doom-Metal-Bewegung, hat aber längst mehr zu bieten als lediglich alles zermalmende Düsterwalzen. Ein sehr konzentrierter Auftritt, der in eine typische Dorrian-Geste mündet: Zu den letzten Takten des letzten Songs wickelt er sich das Mikrokabel um den Hals und spielt den Erhenkten. Bizarr, aber in diesem Kontext stimmig.

In Sachen Weltekel und Depression soll es das dann aber gewesen sein, denn am späten Nachmittag lassen erst einmal Heaven Shall Burn die Sau raus. Die thüringische Metalcore-Band verfolgt eine klare politische Agenda, bezieht gegen Rassismus und Faschismus Stellung und sorgt für einen gigantisches Circle Pit (siehe Film im Wacken-Video-Tagebuch). Eine längere Erholungspause ist danach aber nicht drin, denn bereits um 19 Uhr laden die Doom-Giganten Trouble zur Besichtigung ihres Sängers Kory Clarke, der vor etwa einem Jahr den legendären Trouble-Gründer Eric Wagner ersetzte. Die Show im unverständlicherweise höchstens zur Hälfte gefüllten Headbangers Ballroom zeigt erstens, dass Clarke tatsächlich ein ganz starker Mikromann ist und Trouble sich zweitens um die Zukunft keine Sorgen machen müssen. Hoffentlich kommt das lange angekündigte neue Album nun auch wirklich bald raus.

Nach der Trouble-Show lassen wir uns schnellstmöglich in Richtung True Metal Stage treiben, steht hier doch einer der Höhepunkte des 20. Wacken Open Air an: der Auftritt von Volbeat. Die Dänen haben sich mit ihrer grandiosen Mischung aus Metal und Rockabilly in der Vergangenheit viele Freunde gemacht und genießen hier ein echtes Heimspiel. Jeder Song wird aus vielen Zehntausend Kehlen mitgesungen und Sänger/Gitarrist Michael Poulsen feiert ein ums andere Mal das Publikum, das wiederum die Band feiert usw. Eine 60-minütige Show, die vom ersten bis zum letzten Takt für fröhlichste Festivalstimmung sorgt.

Danach geben wir uns tatsächlich noch Machine Head, die zuletzt als Metallica-Vorband mit schlechter Songsauswahl und matschigem Sound enttäuschten. In Wacken sind die Mannen um Sänger Robert Flynn aber wieder eine Bank und hauen dem wild zuckenden Mob eine Thrash-Metal-Granate nach der anderen um die Ohren. Härtester Stoff, und für uns der Wacken-Schlusspunkt. Saxon und Subway To Sally, die das Festival beschließen, hören wir uns von der leider schon wieder zu flauen Luftmatratze aus an. Nach drei Tagen sind auch unsere Energievorräte langsam erschöpft. Macht aber nix. Wacken 2009 war klasse – wir freuen uns schon auf die 21. Auflage im nächsten Jahr.