“Es ist, als wären wir durch das Passieren des gelben Ortsschilds in einer anderen Galaxie gelandet“: Abendblatt-Reporter Holger True ist in Wacken mitten drin.

Wacken. Wer hätte gedacht, dass die Anreise zu einem Mega-Festival so unproblematisch sein kann. „Fahrt nicht zwischen elf und 13 Uhr“, hatten die Organisatoren des Wacken Open Air die Fans vorab gebeten, weil dann mit den schlimmsten Staus zu rechnen sei. Und was ist? Nix. Locker düsen wir gegen zwölf über die A 23 gen Norden und sind fast allein auf der Straße. In Wacken selbst dann die Aufklärung: Es sind ganz einfach alle schon da. Und alle, aber auch wirklich alle, tragen schwarz. Es ist, als wären wir durch das Passieren des gelben Ortsschilds in einer anderen Galaxie gelandet. Massen bevölkern die Straßen (aber immer schön auf dem Fußweg!), schleppen Bierkisten gen Campingplatz oder tragen einfach ihre coolen Band-Shirts spazieren. Und die sind: genau, schwarz wie die Nacht.

Beim Aufbau der Zelte gelingt es uns, trotz leichten Stangenchaos’ („Gehört das hier in die grüne Schlaufe?“) fertig zu werden, bevor der erste Regenguss runterkommt, und dann geht’s auch schon aufs Gelände, wo einige Zehntausend bereits dem Auftritt von Skyline entgegen fiebern. Die Band hatte bereits 1990 beim ersten Wacken-Festival gespielt und ist sichtlich glücklich, vor dieser beeindruckenden Kulisse auftreten zu können. Als Gäste sind u.a. Doro und Onkel Tom dabei, die Knaller wie „We Are The Metalheads“ oder „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ raushauen und auch mal Iron Maiden covern. Der perfekte Auftakt!

Irre Szenen spielen sich derweil an den Merchandise-Ständen ab, wo bereits gegen 17 Uhr Festival-T-Shirts, Boxershorts mit Wacken-Aufdruck und auch sonst so ziemlich alle Souveniers ausverkauft sind. Auch wir kommen nicht mehr zum Zug und hoffen auf morgen. Da muss doch noch ne Nachlieferung drin sein…

Zurück an die Party Stage: Hier feiern die Dänen von D.A.D. (übrigens in Hamburg beim Welt Astra Tag am 8. August live zu sehen) eine fröhliche Punk ‚n’ Roll-Fete mit jeder Menge Mitgröhlnummern und einer coolen Pyroshow, bei der die Funken nur so fliegen. Von ihrer Bühnenpräsenz können sich Running Wild eine ordentliche Scheibe abschneiden. Ihre Show, übrigens ihre letzte, die Band löst sich endgültig auf, kommt nur mühsam in Gang, hat ein viel zu langes Klabautermann-Intro und wirkt, als ob da ein paar Leute ihren Zenit deutlich überschritten haben. Nach 45 Minuten reicht es uns jedenfalls und wir traben, passend zum einsetzenden Regen, in den (überdachten) Headbangers Ballroom, wo alles dicht gedrängt steht und Drone bejubelt. Die Thrasher aus Celle konnten mich mit ihrer Debüt-CD zwar nicht voll überzeugen, aber live treten die Jungs das Gaspedal knallhart durch und werden zurecht gefeiert.

Danach haben wir die Qual der Wahl: Die Auftritte von Lacuna Coil, Grand Magus und Heaven & Hell überschneiden sich, und am liebsten würden wir alle drei sehen. Entscheidungsschwach lassen wir uns treiben und landen vor der True Metal Stage. Da im Programmheft Heaven & Hell auf der Black Stage angekündigt waren und dort die Massen warten, werden wir beim ersten Riff aus den Boxen Zeugen einer Völkerwanderung, als alle, die zunächst falsch standen, sich einen neuen Platz 20 Meter weiter rechts suchen. Wir stehen (zufälligerweise) schon richtig und erleben in den folgenden 90 Minuten ein absolutes Hammerkonzert. Ronnie James Dio, Tony Iommi und Co. sind mit einer Intensität am Werk, die für Gänsehaut ohne Ende sorgt. Alte Männer? Von wegen, die haben es immer noch verdammt drauf. Mit Abstand der stärkste Auftritt des Tages, der um Mitternacht ein vor Begeisterung geradezu fassungsloses Publikum zurücklässt. Darauf einen Absacker, oder auch zwei… Und morgen mehr.