Laut Guinnessbuch der Rekorde ist David Garrett der “schnellste Geiger der Welt“. Sein SHMF-Konzert zeigte: Der Mann kann auch langsam.
Wotersen. Der Junge sieht nicht nur gut aus, er kann auch Geige spielen. Ganz gut sogar. David Garrett, Popstar mit blondem Zopf, Glitzerschmuck und Wunderkindvergangenheit, hat sich für das Schleswig-Holstein Musik Festival mit dem Cellisten Gautier Capuçon und dem Pianisten Jean-Yves Thibaudet zu einem Klaviertrio zusammengetan. Haydn, Brahms und Mendelssohn: Ein gutbürgerliches Programm servierten die drei auf Gut Wotersen ihrem gleichfalls gutbürgerlichen Publikum, das nach jedem einzelnen Satz herzlich klatschte. Keine Chance für zarte Schlüsse, zu verklingen oder gar als Gedanken im Raum stehen zu bleiben.
Ähnlich sportlich kam Garretts Musizieren rüber. Während man bei Capuçon jedem Ton anhörte, warum er ihn so und nicht anders ansetzte und fortentwickelte, während Thibaudet mit silbrigen Piani und hochsensibel den beiden Streichern folgte, langte Garrett frei von stilistischen Erwägungen unbekümmert zu. Seine präzise Springbogentechnik beeindruckte schon bei Haydns Klaviertrio C-Dur Hob. XV:27. Nur passte sein krachender Tonansatz nicht zu Haydn. Im weiteren Verlauf stellte sich heraus, dass er einen anderen nicht im Repertoire hatte. Kantilenen, ob klassische von Haydn oder romantische in Brahms' H-Dur-Trio, versah er einheitlich mit Starkstromvibrato und seltsamen Glissandi. Dagegen wechselte Capuçon die Töne geradezu maliziös klar.
Bis zum abschließenden Trio Nr. 2 c-Moll von Mendelssohn hatten sich die Ohren an diese Uneinheitlichkeiten gewöhnt. Da konnte sich der Hörer über das sorgfältige Zusammenspiel der drei freuen. Ob der biedere Abend allerdings Garretts jugendliche Fans für die klassische Musik gewonnen hätte, bleibt offen: Zu sehen waren keine.