Daniel Richter hat zu erzählen, viel zu erzählen. Wer den hochgewachsenen Künstler fragt, erhält Antworten, die manchmal an die Fülle seiner frühen, äußerst farbbetonten Bilder erinnern.
Hamburg. - Einen Eindruck davon konnten sich die Hamburger vor zwei Jahren in der Kunsthalle verschaffen, von seinen grellen bis nächtlichen, von Spuk, Kreatur und Jugendbanden bevölkerten Gemälden. Heute erhält Daniel Richter (46) den renommierten Kunstpreis Finkenwerder. 20 000 Euro gehen an den Künstler, der zusammen mit Neo Rauch die deutsche Maler-Elite der mittleren Generation verkörpert.
Was da in seinen Gemälden rumspukt, betont Richter, sind nicht "meine Geister". Das sind die "europäischen, die bürgerlichen Ängste, Faszinationen und Schrecken". Auf die Oberfläche bringt er sie mit Signalfarben oder Thermobildern hervor. "Vermengung von Grellheit und Vulgarität" nennt Richter diese verführerische Melange aus Fantastischem und knochentrockener Realität. Polizisten glühen da mit ihren Schäferhunden, als wären sie Teil eines elektronischen Lagerfeuers, während "Die Wahrheit bei Nacht" maskierte Geister bedrängen.
Richter, der nicht nur Maler, sondern auch Professor und Inhaber eines Musiklabels ist, kommt aus der autonomen Szene. Als klassischer radikaler Linker sieht er sich noch heute. Dass er ausgerechnet auf dem Airbus-Gelände den Preis entgegennimmt, entbehrt nicht einer gewissen, aber durchaus willkommenen Ironie. "Mein Hobby", erklärt er offen, "ist der Verrat. Das macht mich nicht sehr parteitauglich." Verrat woran? Verrat an der Illusion, man hätte als Linker eine Alternative zum Kapitalismus in der Hand. Die moralische Flagge hochzuhalten, das ist "Pupsen in den Wind". Richter ärgert sich lieber über konkrete Missstände wie den Umgang mit Asylanten, als dass er Parolen auf seine Fahnen schreibt. Amüsiert tauft er den Inbegriff urbanen Widerstands in Hamburg, die Hafenstraße, in "Hasenstrafe" um. Feindbilder sind ihm verdächtig. "Der Feind", sagt er selbstkritisch, "ist schwammiger geworden als man selbst. Das macht das Leben aber erst einmal angenehmer."
Und wenn's einen erwischt, wie zurzeit die jungen Künstler inmitten der Finanzkrise? "Weitermachen", die Idee, der Künstler müsse mit erfolgreicher Karriere bekrönt werden, ist sowieso "daneben". Keiner der Künstler, die Richter schätzt, hätte das je erörtert. Mit einem kleinen Seitenhieb fügt er hinzu: "Das ist was für Kuratoren- und Diskurskünstler."
Daniel Richter gibt sich überzeugt, eloquent, und mit viel Spielwitz. So kann man als Besucher seiner Website ihn gegen den Künstlerkollegen Jonathan Meese antreten lassen - und das auch mit Schlägen unter die Gürtellinie. Geplant ist, noch weitere Künstler zum virtuellen Zweikampf einzustellen, frei nach dem japanischen K.-o.-System jeder gegen jeden. Es müssen ja nicht immer Großformate sein, um sich mit der Kunst und ihrem Konkurrenz-Gebaren auseinanderzusetzen.
Eine Ausstellung mit Richter-Bildern eröffnet am 7. Juli das Kunsthaus (bis 30.8.).