Beethoven hatte 's gut. Als ihm mal ein Stück Geld abhandenkam, setzte er sich ans Klavier und komponierte ein Rondo, das sich als “Die Wut über den verlorenen Groschen“ bis heute großer Popularität erfreut.
Was Beethoven wohl komponiert hätte, wenn er keinen Groschen, sondern Millionen verloren hätte, ist eine interessante, aber müßige Frage. Er war jung und kannte weder solche Summen noch Leute, die damit auf den Finanzmarkt wollten.
Die Wut über verzockte Millionen aber ist eine ganz aktuelle Emotion und macht sich manchenorts in einer Weise bemerkbar, dass man schon fragen muss, ob Wut noch das richtige Wort dafür ist. In Fairmont, Connecticut, soll es, laut "New York Times", zu Morddrohungen gegen einen Mann gekommen sein, der (zu Unrecht, wie er sagt) im Verdacht stand, an Kreditgeschäften der American International Group (AIG), einst größter Versicherer der Welt, jetzt de facto bankrott, beteiligt gewesen zu sein. Seither empfiehlt die AIG ihren Mitarbeitern, in der Öffentlichkeit keine T-Shirts, Taschen oder Regenschirme mit dem Firmenlogo zu tragen und sicherzustellen, "dass Ihr Firmenausweis nicht sichtbar ist, wenn Sie das Büro verlassen".
Auch am Finanzplatz London nehmen, laut der dortigen "Times", mehr als 20 Spitzenmanager die Dienste eines Sicherheitsunternehmens in Anspruch. Auch hier wird unauffällige Kleidung (keine Nadelstreifen!) empfohlen.
Luxusboutiquen in New York halten auf Wunsch jene braunen Papiertüten bereit, in denen man sonst Obst und Gemüse aus dem Supermarkt unterbringt. Denn natürlich sind längst nicht alle Neunmalklugen, die für mehr Risikofreude bei der Geldanlage Stimmung gemacht haben, jetzt auf Hartz IV oder drehen an der Straßenecke einen Leierkasten.
Keine Reue, nirgends? Doch. Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, hat "Bild" neulich zum Thema Boni gestanden: "Nicht alles, was einem rechtlich zusteht, nicht alles, was legal ist, ist auch legitim." Und Alexander Dibelius, Deutschland-Chef des Bankhauses Goldman Sachs, hat seine Kollegen sogar zu "kollektiver Demut" aufgerufen.
Aber auch das ist ein falsches Wort. Demut ist eine höchst persönliche Regung, keine kollektive - obendrein eine, die bei Dichtern und Denkern schon lange im Verdacht steht, dem Hochmut eng verwandt zu sein. Bei Johann Gottfried Seume zum Beispiel: "Demut ist der erste Schritt zur Niederträchtigkeit." Das schrieb er 1826. Ist es heute anders?