Nach dem Rekordgewinn 2008 will der Medienkonzern Axel Springer die Wirtschaftskrise in diesem Jahr stabil bewältigen. Das sagte der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur dpa in einem Interview zur Hauptversammlung der Axel Springer AG (23. April).

Berlin. Nach dem Rekordgewinn 2008 will der Medienkonzern Axel Springer die Wirtschaftskrise in diesem Jahr stabil bewältigen. Das sagte der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur dpa in einem Interview zur Hauptversammlung der Axel Springer AG (23. April).

Während vor allem die Zeitschriften und Regionalzeitungen die Zurückhaltung der Wirtschaft bei Werbeausgaben spürten, gehöre die "Bild"-Zeitung zu den Krisengewinnern. Nach Döpfners Einschätzung hat der Journalismus trotz Krise eine glänzende Zukunft. Das Internet werde den Journalismus sogar besser machen. Die lange als Bedrohung geltenden Gratiszeitungen hält er für ein Auslaufmodell.

Kaum ein Tag vergeht ohne Krisenmeldung. Wie macht sich der Abschwung bei Axel Springer bemerkbar?

Döpfner: "Krisenmeldungen gibt es seit dem vergangenen Sommer. Deswegen sind wir stolz, dass wir 2008 trotzdem das höchste Ergebnis in der Geschichte des Unternehmens erwirtschaftet haben. Entscheidend ist, dass wir sehr früh auf die Digitalisierung gesetzt haben. Dieses Geschäft wird zwar auch zyklisch und konjunkturell getroffen, aber unter dem Strich bleibt ein organisches Wachstum."

Hat die Krise inzwischen auch Europas größtes Zeitungshaus erreicht?

Döpfner: "Wir konnten und können uns dem Gesamttrend auf der Umsatzseite natürlich nicht entziehen. Auch bei uns sind Werbeerlöse rückläufig. Es trifft die Zeitschriften stärker, die Regionalzeitungen weniger stark und die ’Welt’-Gruppe gering. Die ’Bild’-Zeitung ist sogar eine Art Krisengewinner. Die reduzierten Werbebudgets werden auf die Marktführer mit der größten Wirkung auf den Absatz konzentriert, davon profitiert ’Bild’."

Sind Stellenstreichungen oder gar Entlassungen geplant?

Döpfner: "Wir haben im Jahr 2008 drei Prozent mehr Arbeitsplätze bei Axel Springer geschaffen. Aber die Kostendisziplin ist bei uns sehr gut trainiert und wir reagieren seit Jahren sehr schnell, falls nötig. Das Mittel der betriebsbedingten Kündigung oder der Massenentlassung aber hat es bei uns nicht gegeben. Wir werden alles tun, das auch in dieser Krise zu vermeiden."

Bei der Bilanzpressekonferenz haben Sie keine Prognose für 2009 gegeben. Werden Sie bei der Hauptversammlung einen Ausblick wagen?

Döpfner: "Nein, denn die Situation ist ohne historisches Vorbild und von starken Schwankungen geprägt. Daraus ein konkretes Gesamtbild für das komplette Jahr abzuleiten, wäre einfach unseriös. Rekordergebnisse sind in diesem Umfeld sicher nicht möglich. Es kommt darauf an, möglichst stabil durch die Krise zu steuern."

Erwarten Sie eine Verschlechterung des Konjunktur-Klimas?

Döpfner: "Kurios ist doch, dass große Teile der Führungs-Eliten in eine selbstzerstörerische Totaldepression gefallen zu sein scheinen, während die Verbraucher in Deutschland immer noch beherzt einkaufen gehen, essen gehen und sich im Kino Filme ansehen. Mein Eindruck ist: Die Deutschen verhalten sich bisher extrem vernünftig, antizyklisch und klug. Sie wissen: Es ist ernst, aber das Ende der Welt steht nicht bevor."

Überall wird gespart was bleibt vom Journalismus übrig?

Döpfner: "Der Journalismus war, ist und bleibt die entscheidende Grundlage für unser Geschäft. Wer versucht, mit möglichst wenig Journalismus möglichst viel Geld zu verdienen, wird scheitern. Wir halten die Voraussetzungen für bestmöglichen Journalismus aufrecht, denn wir wollen ja auch nach der Krise noch Zeitungen verkaufen, die man gerne liest."

Dabei geht es auch um das Zusammenlegen von Redaktionen. Planen Sie weitere Fusionen?

Döpfner: "Spektakuläre Restrukturierungen stehen nicht auf unserem Plan. Intelligente Arbeitsabläufe und Kooperationsmodelle halte ich allerdings für ein wichtiges Instrument, um journalistische Qualität zu bewahren oder zu steigern und gleichzeitig die Kosten zu senken. Das ist ein ständiger Prozess. Viele haben bei der Fusion von ’Welt’ und ’Berliner Morgenpost’ gesagt, das funktioniert nicht. Heute beliefern größere Teams als früher mit den besten Journalisten vier Zeitungen und ein höchst erfolgreiches Online-Portal. Gleichzeitig hat die ’Welt’-Gruppe einen wirtschaftlichen Turnaround geschafft. Nach dem erstmaligen Gewinn 2007 gab es 2008 sogar einen noch höheren, einen zweistelligen Millionengewinn."

Sie sind als einziger Europäer im Aufsichtsrat des US-Medienriesen Time Warner und erleben das Zeitungssterben in den USA auch aus dieser Perspektive. Wird die Welle nach Deutschland überschwappen?

Döpfner: "Amerika war immer Vorreiter. Es ist auch in Deutschland mit Konsolidierung zu rechnen, aber ich halte nichts davon, die Verhältnisse eins zu eins zu übertragen. Die inhaltliche Qualität vieler deutscher Zeitungen ist höher, die Innovationsbereitschaft vieler deutscher Verlage ist größer und deshalb sind sie krisenresistenter."

Viele Branchen rufen derzeit nach Hilfe. Sollte der Staat Medienunternehmen unterstützen?

Döpfner: "Ich bin gegen jede Form von Staatsinterventionismus in die Privatwirtschaft und besonders in den Mediensektor. Medienunternehmen, bei denen der Staat mitmischt und sei es nur indirekt als Kapitalgeber sind in ihrer Unabhängigkeit gefährdet. Direkte Staatshilfen halte ich für einen unverzeihlichen Tabubruch."

Axel Springer möchte in zehn Jahren die Hälfte von Umsatz und Gewinn im digitalen Geschäft erwirtschaften wie soll das konkret gehen?

Döpfner: "Online ist für uns schon heute reales Geschäft und nicht vage Zukunftshoffnung. Wir haben 2008 mit unseren Online-Aktivitäten 60 Millionen Euro Gewinn erzielt, wenn man die Neuinvestitionen abzieht. Das entspricht einer Rendite auf den Umsatz von 15 Prozent. Von unseren zehn größten Online-Angeboten sind sieben profitabel."

Viele klagen aber, im Internet sei kein Geld zu verdienen. Ist es nicht Zeit für Versuche, das Kostenlos-Modell zurückzudrehen, wie es in den USA mit dem Internet-Portal "Journalism Online" versucht wird?

Döpfner: "Die große Trendwende hin zu Bezahlmodellen halte ich für unwahrscheinlich. Für spezialisierte Angebote jedoch kann das gelingen."

Bedeutet das, dass Ihre Internetangebote auch künftig weitgehend kostenlos und für jeden zugänglich bleiben werden?

Döpfner: "Ja, davon gehe ich aus. Umso wichtiger ist für die ganze Branche ein gesetzlicher Leistungsschutz, damit journalistische Inhalte überhaupt noch finanzierbar sind. Eine Arbeitsteilung, dass die einen mit hohem Aufwand Inhalte produzieren und die anderen diese im Netz kopieren und vermarkten, ohne dafür zu bezahlen, wird auf Dauer nicht funktionieren. Der Copypreis der Zukunft ist das Copyright. Hier gibt es in Deutschland eine Gesetzeslücke, die dringend geschlossen werden muss."

...auch Google profitiert davon...

Döpfner: "...Das Geschäftsmodell von Google will ich nicht kritisieren, ich habe großen Respekt vor dem überragenden Erfolg von Google. Aber zum Teil lebt auch Google von unseren Inhalten und deshalb müssen wir unsere Leistungen besser schützen. Übrigens ist auch für Nachrichtenagenturen Leistungsschutz wichtig."

Elektronische Reader sind auf dem Vormarsch. Welche Bedeutung haben diese Geräte für Axel Springer?

Döpfner: "Mobile Lesegeräte sind für uns sehr wichtig, viel wichtiger als der PC oder das Laptop, denn sie werden die Zeitung der Zukunft sein. Wir haben eine Reihe von Projekten zusammen mit Hardwareherstellern und Mobilfunkanbietern gestartet. Dabei wollen wir sondieren, wie sich Nutzergewohnheiten und Technologien entwickeln."

Lange wurden Gratiszeitungen als Bedrohung angesehen...

Döpfner: "...Bis auf wenige Ausnahmen ist die Gratiszeitung weltweit kein Erfolgsmodell, denn sie vereint den Nachteil der hohen Produktions- und Vertriebskosten mit dem Verzicht auf Verkaufserlöse. Ich halte die Gratiszeitung für ein Übergangsmodell auf dem Rückzug."

Welche Rolle werden Zeitungen für Axel Springer künftig spielen? Gibt es Pläne, Zeitungen zu verkaufen?

Döpfner: "Nachdem wir uns von einigen Minderheitsbeteiligungen an Regionalzeitungen getrennt haben, ist ein Zukauf in diesem Bereich keineswegs ausgeschlossen. Wichtig ist für uns die unternehmerische Führung. Ich denke nicht im Traum daran, dass wir uns von Titeln wie ’Bild’, Welt, ’Hamburger Abendblatt’, ’Berliner Morgenpost’ oder ’B.Z.’ trennen. Die Zeitung wird viel länger bestehen bleiben, als diejenigen glauben, die jetzt das Totenglöcklein läuten. Und der Zeitungsjournalismus das heißt von Profis recherchierte, aktuelle Geschichten wird auch auf den digitalen Vertriebswegen eine glänzende Zukunft haben. Ich teile diesen technologieskeptischen Kulturpessimismus gar nicht. Im Netz gibt es mehr Platz, mehr Wissen, viel geringere Produktionskosten, mehr Möglichkeiten. Ich glaube, dass das Internet den Journalismus besser machen wird."

Interview: Rolf Westermann, Esteban Engel