Die 29-jährige Sängerin überzeugt bei ihrer Tour als Trapez-Künstlerin und Blues-Interpretin. Von ihren Punkwurzeln hat sie sich meilenweit entfernt.

Hamburg. "Hereinspaziert! Hereinspaziert! Verehrtes Publikum, erleben Sie in den kommenden zwei Stunden eine Künstlerin, so verführerisch wie die Sünde und so schön wie eine Rose! Hier ist Pink!" So ähnlich hätte ein Zirkusdirektor vielleicht vor 100 Jahren seine Hauptattraktion angekündigt. Das Bühnenbild hat diesen nostalgischen Jahrmarkts-Touch, doch statt eines Ansagers mit buntem Frack und Zylinder kündigt ein Video die US-Sängerin an. Auf einer Spur von brennendem Benzin brettert die virtuelle Pink auf einem Motorrad zu AC/DCs "Highway to Hell" los, die leibhaftige Person wird derweil an einem Seilzug aus einem sich öffnenden Schlund auf die Bühne gezogen. Die Show kann beginnen!

Von ihren Punkwurzeln hat sich Alecia Beth Moore, so Pinks bürgerlicher Name, inzwischen meilenweit entfernt. Mit der aktuellen "Funhouse"-Tour klettert sie auf den Entertainment-Olymp, dort, wo Madonna, Christina Aguilera und Beyonce zu Hause sind. Pink liefert Zirkus im ursprünglichen Sinne des Wortes. Bei "Sober" lässt sich die Sängerin mit dem beeindruckenden Waschbrettbauch auf einem Trapez bis unter die Hallendecke ziehen und zeigt zusammen mit einem männlichen Artisten atemberaubende Schwünge und Flugfiguren. Diese Luftnummern würden manchem Zirkusstar zur Ehre gereichen, die 13 000 Fans in der ausverkauften Color-Line-Arena bekommen den Mund vor Staunen kaum wieder zu. Bei "Get the Party Started", kurz vor Schluss der 105 Minuten dauernden Show schwingt sie sich noch einmal in den Arenenhimmel auf, um in einem Konfettiregen Kapriolen zu schlagen.

Doch Pink ist an diesem Abend nicht nur die Artistin, sie schlüpft im Laufe der Show auch in verschiedene Kostüme und Rollen. So ist sie bei "Bad Influence" und "Just Like A Pill" das quirlige Teufelchen, in "I Touch Myself" die sich auf einer Chaiselongue rekelnde Verführerin, bei der Coverversion von Queens "Bohemian Rhapsody" die grell angezogene Dragqueen. Umgeben von einer Tänzergruppe, zieht sie Varietenummern ab, während ihre Band dazu bombastischen Pop aus den Lautsprechern krachen lässt.

Doch so ausgeklügelt die Show des Mädchens mit dem wasserstoffblonden Pixiecut und so perfekt die Choreografien auch sind, immer wieder taucht hinter dem Superstar Pink der Mensch Alecia Beth Moore auf. Der sich in seinen Texten Probleme von der Seele schreibt und Musik als Selbsttherapie benutzt. In "So What" bewältigt sie die gescheiterte Ehe mit dem Motocross-Fahrer Carey Hart, während ihre Tanztruppe dazu auf einem herzförmigen Bett die Fetzen fliegen lässt; das akustische und intime "Family Portrait" verarbeitet ihre negativen Erfahrungen als Scheidungskind. Hier wirkt Pink echt und authentisch. Auch Trennungsschmerz scheint sie wirklich zu kennen, denn sonst hätte sie sich sicher nicht an eine Nummer wie Led Zeppelins "Babe I'm Gonna Leave You" herangetraut. Aber diesen schwierigen Blues bewältigt sie mit Bravour und wird so manchem Zuhörer eine Gänsehaut auf den Unterarmen besorgt haben. Schade nur, dass ihr Gitarrist sein Solo am Ende des Songs verdirbt, weil er leider so gar kein Gefühl dafür entwickelt, was man mit einer E-Gitarre alles an Trauer und Verzweiflung ausdrücken könnte. Aber das nicht besonders stimmige Intro-Video und die störend uninspirierten Gitarrensoli bleiben die einzigen kleinen Schwachpunkte dieser außergewöhnlichen Show. Madonna hat Konkurrenz bekommen.

Mit "Funhouse" ist Pink endgültig im Pop-Olymp angekommen.


Eine Bildershow zu den Konzerten von Pink sehen Sie unter www.abendblatt.de/kultur