Sepp Maier, das große Torwart-Idol des deutschen Fußballs, sah aus wie ein geprügelter Hund, einsam und allein. Mitleid gab es für den ehemaligen...

Hamburg. Sepp Maier, das große Torwart-Idol des deutschen Fußballs, sah aus wie ein geprügelter Hund, einsam und allein. Mitleid gab es für den ehemaligen Nationalspieler am späten Mittwochabend aber dennoch nicht. Während auf den zwei großen Videoleinwänden in der ausverkauften Color-Line-Arena die Tore der historischen 1:7-Niederlage von Maiers Bayern am 9. Dezember 1978 bei Fortuna Düsseldorf aufflackerten, skandierten 13 000 Besucher mit voller Überzeugung, niemals zu ebenjenem FC Bayern München zu gehen.

Die Toten Hosen können sich auf ihren Anhang eben verlassen. Vertrauen, das seine Wechselwirkung auch nach dreijähriger Tour-Pause nicht verloren hat. Bei ihrem über zweistündigen Auftritt präsentierten die Düsseldorfer um Frontmann Campino auch auf der vierten Station der "Machmalauter"-Tour die gewohnte Bandbreite, sodass die Fans am Ende zufrieden nach Hause gingen. 31 Songs aus 26 Jahren Bandgeschichte, stets begleitet von hohem Mitgröl-Faktor, geschwenkten Fahnen und zahlreichen eingespielten Ritualen - die Color-Line-Arena wurde in den Fanblock eines Fußballstadions verwandelt. Die Zutaten: minimalistischer Punk-Rock der Anfangszeit, Hymnen wie "Hier kommt Alex" , mehr oder minder peinliche Exkurse ins Pop-Comedy-Fach ("Zehn kleine Jägermeister") sowie Coverversionen der befreundeten Beatsteaks ("Hand in Hand") und den Vorbildern von The Clash ("Guns Of Brixton").

Dass die Band ihr aktuelles Studioalbum im Gepäck hatte, machte den einzigen Unterschied zu den Auswärtsspielen vergangener Tourneen aus. "In aller Stille" hält aber keineswegs, was der Name verspricht. Vielmehr nähern sich die Mittvierziger zur Freude der treuen Wegbegleiter wieder ihren musikalischen Wurzeln. Dass die Textsicherheit des Publikums bei den neuen Songs litt und Campino einen Aussetzer mit der Vermeldung des Zwischenergebnisses aus der zeitgleich stattfindenden Champions-League-Partie Liverpool F.C. gegen Olympique Marseille überspielte, vermochte das elektrisierte Publikum nur kurzzeitig zu entladen.

Erst die zunächst gelungene Überraschung, zur ersten von zwei Zugaben-Sequenzen mit Esther Kim (Klavier, Akkordeon) und Raphael Zweifel (Cello) Musiker aus der "MTV Unplugged"-Session im Wiener Burgtheater auf die Bühne zu holen, drohte nach fünf Akustik-Songs zum Stimmungskiller zu werden.

Campino, der bei der Bar-Jazz-Version von "Eisgekühlter Bommerlunder" virtuos auf einer "zuletzt 1974 beim St.-Martins-Umzug in Mettmann benutzten Trompete" blies, wagte es dann noch, den HSV zu loben. "Hey, die haben Kevin Keegan geholt. Die haben Ahnung von Fußball", sagte der Sänger und erntete aus dem von St.-Pauli-Fans dominierten Rund vereinzelte Pfiffe.

Gerade noch rechtzeitig besannen sich die Toten Hosen wieder auf die Maxime, mit der sie den Abend begonnen hatten: "Strom". Die aktuelle Single-Auskoppelung hatte den Auftakt gemacht, zwei Stunden später präsentierten Campino, Kuddel, Andi, Breiti und Vom mit insgesamt sechs Hochgeschwindigkeits-Tracks wie "Achterbahn", "Schwarzwaldklinik" oder "Opel-Gang" ein krachendes Medley. Der Stromkreis schloss sich. Die verzerrten, übersteuerten Gitarren und Campinos melodiöses Geschrei beantworteten die 13 000 Fans mit frenetischer Begeisterung.

Nach 130 schweißtreibenden Minuten lagen sich zum Abschluss dann alle in den Armen: "Schönen Gruß und auf Wiedersehen", gefolgt vom Fußball-Gassenhauer "You'll Never Walk Alone". Und da hätte sogar der Maier-Sepp mitgeschunkelt. Jeder bekommt eben das, was er verdient.