Gesundheit ist eine kriminelle Angelegenheit. Schon bei der Frage “Wie geht's?“ wird hemmungslos gelogen. Das allein ist nicht strafbar. Was aber,

Gesundheit ist eine kriminelle Angelegenheit. Schon bei der Frage "Wie geht's?" wird hemmungslos gelogen. Das allein ist nicht strafbar. Was aber, wenn diese Frage mal dem Arzt oder Apotheker gestellt wird? Oder der Krankenkasse unseres Vertrauens und am Ende der durchtriebenen Camarilla, die die deutsche Gesundheitspolitik in Bundestag und Regierungen verantwortet? Da wird bei jeder Antwort nach dem Wohlergehen die Wahrheit gebogen. Und dann wird's kriminell. Am Ende wird der Patient zum "Opfer". Er wird "betrogen", "verraten und verkauft". Die Richter, die diese Urteile schon auf den Titeln ihrer neuen Büchern fällen, pinseln ein erschreckendes Bild vom Zustand des deutschen Gesundheitssystems und prophezeien Düsteres für die Zukunft.

Dabei wählt Gaby Guzek einen leichten, aber ernsten Zugang zu den Fährnissen des Lebens als Patient, als Leidender. Sie erfindet die Geschichte vom kleinen Paul, der mit der Geburt von Dr. med. Vater Staat ins deutsche Gesundheitssystem aufgenommen wird. Er braucht Zahnspange und Brille und muss sich mit 18 Jahren selbst versichern. Guzek zeigt, wo die Politik die Gesundheit verstaatlicht hat, wo unsinnige Regelungen greifen, wer wer ist im "System" und wofür verantwortlich.

Die Autorin sagt voraus, was droht, wenn die Heuschrecken ins Gesundheitssystem einfallen und als Klinik-Oligarchen nicht mehr der Versorgung, sondern den Aktionären verpflichtet sind. Ein bisschen grafische Auflockerung hätte dem Text gutgetan. Auch wird ein argumentativer Schutzschild über die Ärzte gespannt, den die gar nicht brauchen. Das geht so weit, dass betrügerische Ärzte (Abrechnungsmanipulation) als Bagatelltäter dargestellt werden.

Auch Renate Herwig zieht gegen die Kommerzialisierung in der Gesundheit zu Felde. Sie beweist, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt das höchste Gut ist. Und sie beleuchtet den unaufhaltsamen Trend, Ärzte in größeren Einheiten (medizinische Versorgungszentren) anzustellen und welche Folgen das fürs Gesundwerden hat. Ihr Pamphlet ist mit reichlich Schaum vor dem Mund geschrieben. Das muss kein Nachteil sein, schließlich geht es um Gesundheit.

Auf die Zustände im Krankenhaus scheint sich Udo Ludwig zu kaprizieren. Doch auch die Fallsammlung des "Spiegel"-Mannes packt das grundsätzlich Irre im "System". Inspektor Ludwig ("Tatort Krankenhaus") unterfüttert seine Beweisführung mit einigen bereits gedruckten Grafiken aus dem "Spiegel". Ludwig hat die aktuelle Debatte um die Klinikärzte eingearbeitet, die nicht länger schweigen wollen und handwerkliche und Kunstfehler zugeben, um sie künftig zu vermeiden. Er nimmt den Leser mit in den OP-Saal, ans Krankenbett und ins Gericht, wenn sich die Opfer oder ihre Hinterbliebenen mit Ärzten um Schmerzensgelder streiten.

Es sind erschütternde, teilweise bekannte Fälle, bei denen Schläuche verwechselt wurden, falsche Infusionen in die Venen der Patienten liefen, der Operationsroboter zu heftig ins Hüftgelenk fräste. Ludwig hat darauf verzichtet, das nächste Ärztehasserbuch zu schreiben. Er entlarvt jedoch sogenannte Gurus wie den Orthopäden Dietrich Grönemeyer als Aufschneider. Liest man den kleinen Katalog der Schmerzensgeld-Urteile, kann einem selbst vor einer Blinddarm-Operation angst und bange werden.


Gaby Guzek: Patient in Deutschland. Verraten und verkauft. Promedico Verlag, 175 Seiten, 14,90 Euro

Renate Hartwig: Der verkaufte Patient. Wie Ärzte und Patienten von der Gesundheitspolitik betrogen werden. Pattloch, 284 Seiten, 16,95 Euro; Udo Ludwig: Tatort Krankenhaus. Wie Patienten zu Opfern werden. DVA, 280 Seiten, 16,95 Euro