“Ich habe mit mehr Gelassenheit und Souveränität gerechnet“, kommentiert Schauspielhaus-Intendant Friedrich Schirmer die Aufregung über die Nennung...
Hamburg. "Ich habe mit mehr Gelassenheit und Souveränität gerechnet", kommentiert Schauspielhaus-Intendant Friedrich Schirmer die Aufregung über die Nennung der 28 reichsten Hamburger in der "Marat"-Inszenierung (wir berichteten). 24 Hartz-IV-Empfänger spielen den Volkschor und zitieren im Epilog von der Rangliste aus dem "Manager Magazin Special 2008". Vier Millionäre hatten sich mit der Androhung einstweiliger Verfügungen am Premieren-Vortag gewehrt. Schirmer: "Ich habe das nicht verstanden: Wenn man über Arme spricht, dann darf man doch wohl über Reiche sprechen."
Brigitta Martens, kulturpolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion, hält dieses Thema auch für wichtig. "Aber dass man es auf diese plumpe Art diskutiert und darstellt, wird keiner Seite gerecht." Dies schüre völlig unnötig die Neiddiskussion und Vorurteile. Die CDU-Politikerin Birgit Schnieber-Jastram betont ebenfalls wie Martens die Meinungsfreiheit der Theatermacher. "Ich halte es jedoch für falsch, Unternehmer, die maßgeblich dazu beitragen, Arbeitsplätze zu schaffen, und die viel Geld für kulturelle und soziale Projekte spenden, sozusagen an den Pranger zu stellen." Knut Fleckenstein vom SPD-Landesvorstand hält dagegen: "Die Kunst ist in ihren Mitteln frei, zumal diese Informationen öffentlich sind und somit keine Persönlichkeitsrechte verletzt werden."
"Theater ist dafür da, einer Gegenposition Stimme zu verleihen", stimmt Schirmer zu. "Es ist eine moralische Anstalt und kann Ungerechtigkeit in der Gesellschaft nicht ändern, sondern nur widerspiegeln. Seine Funktion ist bezahlte Opposition." Außerdem könne jeder das "Manager Magazin" lesen. "Man darf auch nicht vergessen, wer da auf der Bühne spricht, das ist nicht der Theaterdirektor." Es gehe nicht darum, moralisch zu verurteilen oder Gewalt zu provozieren. "Ich habe Vertrauen in mein Publikum. Wer Gewalt anwenden will, der wartet nicht auf eine Theateraufführung." Im Übrigen empfiehlt Schirmer, sich wie er an Friedrich den Großen zu halten, der für ihn mit dem Ausspruch Maßstäbe setze: "Tiefer hängen!"
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