Nachwirkungen vom Fernsehpreis-Eklat: Sofortiges Aus für die Sendung “Lesen!“ und viele gekränkte Gemüter.

Hamburg. Dass man mit dem Zweiten nicht zwingend besser sieht, sondern das Gute manchmal mit der Lupe suchen muss, darf laut gesagt werden. Verständlich, dass das für Angestellte des Senders in abgemilderter Form gilt. Und wer sich in einer Deutlichkeit, wie Elke Heidenreich es getan hat, den Frust über seinen Arbeitgeber von der Seele schreibt, musste (obwohl blind vor Wut) wohl wissen: Das kann nicht gut gehen. Das ging auch nicht gut. Gestern beendete das ZDF "mit sofortiger Wirkung" die Zusammenarbeit mit der 65-jährigen Moderatorin der Literatursendung "Lesen!".

Es hatte keinen persönlichen Kontakt mehr gegeben zwischen ZDF-Intendant Markus Schächter und Heidenreich, und den Ton ihres Schriftverkehrs mag man sich nach Heidenreichs öffentlicher Anklage in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" lieber nicht vorstellen. "Man schämt sich, in so einem Sender überhaupt noch zu arbeiten", hatte sie nach der spektakulären Brandrede von Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki beim Deutschen Fernsehpreis geschrieben. Und: "Von mir aus schmeißt mich doch raus!"

Im ZDF sei man darüber "not amused" gewesen, sagte Sprecher Alexander Stock zum Abendblatt. "Aber wir wollten Frau Heidenreich Zeit lassen, ob sie bei ihrer Empörung bleibt oder ob sie auf die sachliche Ebene zurückfindet." Die Journalistin und Autorin habe aber weiter öffentlich Kollegen angegriffen wie etwa Moderator Thomas Gottschalk in der "Bunten" ("...ich finde nicht, dass er nach all diesen Jahren noch ein guter Moderator ist. Er ist ein müder alter Mann."). Das habe das Fass zum Überlaufen gebracht. Stock betonte: "Es ist nicht die Kritik, es ist die Form, die uns zu diesem Schritt veranlasst hat." Von einem "zerstörten Vertrauensverhältnis" sprach ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut.

Unzufrieden mit ihrem Sendeplatz (freitags um 22.35 Uhr) war Heidenreich schon länger, bewusst unversöhnlich und angriffslustig zeigte sie sich jedoch erst im Anschluss an die Fernsehpreisverleihung vor knapp zwei Wochen - vielleicht auch deshalb, weil man sie nicht die Laudatio auf (Nun-doch-nicht-)Ehrenpreisträger Marcel Reich-Ranicki halten ließ. Dass man mit dieser Aufgabe Gottschalk betraut hatte, schien sie zu grämen, mehr noch: "Elke hat sich miserabel benommen. Sie hat intrigiert. Sie wollte, dass man Thomas meine Laudatio wegnimmt, um sie selbst zu halten", verriet Reich-Ranicki der "Bunten".

Und wie geht's weiter? Fest steht zweierlei: Die für dieses Jahr geplanten "Lesen!"-Sendungen im Oktober und Dezember werden nicht mehr produziert, und: Eine Literatursendung soll es weiterhin im ZDF geben. Über Personalentscheidungen wird laut Sender noch nicht konkret nachgedacht. Bevor es so weit ist, steht die Überlegung, ob man eine starke Persönlichkeit (Typ Reich-Ranicki beziehungsweise Heidenreich) das Buch hochhalten lässt oder - wie im Ersten - künftig einen in der Branche akzeptierten Literaturkritiker(in) mit dieser Aufgabe betraut. Spätestens im Frühjahr 2009 soll das neue Format den Praxistest vor Publikum bestehen.