Der Kampf zwischen Gut und Böse war mal eine überschaubare Sache. Doch die Supergangster haben dazugelernt, die Superhelden sehen manchmal ganz schön blass aus. Eine Zwischenbilanz nach “The Dark Knight“.

Hamburg. Gotham City war schon immer ein düsterer Ort. Sonst hätte unser Freund mit den Dobermann-Ohren (Fledermausohren sind das jedenfalls nicht) ja auch nichts zu tun. Die Superhelden der amerikanischen Graphic Novels wie Batman, Superman oder Spiderman sind dazu da, eine ungerechte Welt zu verbessern: immer wieder, und immer wieder verlässlich heldenhaft.

In Christopher Nolans neuem Batman-Film lernt das Publikum, dass auf nichts Verlass ist. Der Millionärssohn Bruce Wayne (Christian Bale) ist blass, blasiert und müde. Sein Alter ego Batman hält zwar noch die Unterwelt in Schach, wirkt aber ausgebrannt und würde am liebsten aussteigen. Er hofft, dass der schon aus früheren Versionen bekannte Bezirksstaatsanwalt Harvey Dent (Aaron Eckhart) auch ohne Fledermaushilfe zurechtkommt. Der Film beginnt gleich mit diesem Zweifel: Ist Batman eigentlich noch ein Superheld? Und braucht ihn Gotham City?

Die Frage stellt sich natürlich nicht mehr, sobald Heath Ledger als Joker auftaucht. So unterschiedlich die Kritiker den Film insgesamt beurteilen (von "der beste aller Batman-Filme" bis zu "nicht überragend"), in einem sind sich alle einig: Joker ist der Star, quasi das beherrschende Schwarze Loch, das alle anderen Sterne in sein zerstörerisches Kraftzentrum zieht.

Er tritt den glatten, legalistischen Guten als das kreative Böse gegenüber, das in überhaupt kein Schema passt: verschmiert geschminkt wie eine verlebte Clowns-Version aus Stephen Kings "Es", selbstverliebt, manipulativ, sadistisch. Wunderbar die Szene, in der er in eine Versammlung von Gothams Bandenbossen platzt: Er erpresst sie, terrorisiert sie genüsslich, aber sie hängen an seinen Lippen, die er leckt wie eine hungrige Boa constrictor. Joker, meinen viele, habe Hannibal Lecter auf der nach oben offenen Filmpsychopathen-Skala endgültig von Platz 1 verdrängt.

Heath Ledger, gefeiert in seiner Rolle als schwuler Cowboy in "Brokeback Mountain", hat durch seinen plötzlichen Tod im Januar dem Batman-Film schon vorab eine dramatische Publicity. Man kann sich dem Gefühl nicht entziehen, wenn man ihn jetzt im Film sieht: Was für ein Schauspieler! Was für ein Verlust!

Was wäre Batman ohne ihn? Ein Regisseur, der die sechste Batman-Adaption plant, hat nicht sehr viele Möglichkeiten. Er kann die Figur erklären, sie in begrenztem Rahmen weiterentwickeln oder sie ironisieren. Tim Burton hatte den beiden ersten Neuverfilmungen ("Batman", 1989, und "Batmans Rückkehr", 1992) seinen typischen Stempel aufgedrückt: ein verspieltes, schauermärchenhaftes Design mit durchgeknallten, aber irgendwie durchschaubaren Bösewichten wie etwa Jack Nicholson als Ganove Napier und Danny de Vito als "Pinguin", und mit eigenwilligen Helferinnen wie Michelle Pfeiffer (Catwoman).

In der Joel-Schumacher-Phase ("Batman Forever", 1995, und "Batman & Robin", 1997) wurde die Schurkenriege komplizierter, aber immer stellte Batman die Ordnung wieder her. Im Jahr 2005 setzte Christopher Nolan als Regisseur eine Zäsur: mit dem Rückgriff auf Batmans Kindheit und das Trauma der Ermordung seiner Eltern. Das schuf größeren psychologischen Spielraum für Bruce Wayne/Batman.

Jetzt ist sein Held ein smarter Mittdreißiger. Auch in Gotham City gibt es mittlerweile Anti-Korruptionseinheiten bei der Polizei, und die Unterwelt-Bosse haben den globalen Finanzmarkt, chinesische Dienstleister und die Tricks der Datenüberwachung entdeckt. Die Stadt und Batman sind im 21. Jahrhundert angekommen.

Aber die wirklich neue Figur ist Joker, ein Katalysator für Batman und den Staatsanwalt. Ein Provokateur, der testen will, wie weit seine Gegner gehen, wann sie ihre eigenen Werte verraten. Die Parallelen zur Herausforderung des Terrorismus sind filmisch unübersehbar: in den rasanten Anflügen auf Büroglasfronten, in Anspielungen auf den Überwachungsstaat und in der Überreaktion der Ordnungshüter.

Nur hat Joker keine Botschaft. Und Batman selbst benutzt Mittel, die aus dem US-"Ministerium für Heimatschutz" entliehen sein könnten. Harvey Dent kippt schließlich auch. Er sagt: Ein Mann kann in unanständigen Zeiten nicht anständig sein.

Das ist ein neuer, resignativer Zug. Das Böse hat stets den Überraschungserfolg auf seiner Seite, nur die Guten müssen sich wirklich entscheiden. Und gehen beschädigt aus der Konfrontation hervor - mit einem nur vorläufigen Sieg. Nolan hat es geschafft, einer Comic-Verfilmung die Tiefe eines Zeitgeistfilms zu geben. Die Zeit der (fliegenden) Erlöserfiguren für eine zerfallende Gesellschaft ist vorbei.