Der “Tocotronic“-Schlagzeuger regt mit “Love and Hate“ zum Tagträumen und zum Tanzen an.

Hamburg. Arne Zank ist kein prototypisches Trommel-Tier. Hager. Im Hemd. Das Haar fällt brav. Sein Schlagzeug-Stil hat etwas von einem energisch pickenden Vogel. Hauptberuflich gibt der Autodidakt dem Hamburger Rock-Quartett "Tocotronic" den Beat. Einer Band, die mit all ihren Nebenprojekten allein schon ein komplettes Festival füllen könnte: Sänger und Gitarrist Dirk von Lowtzow erfindet zusammen mit Thies Mynther als "Phantom/Ghost" versponnene Elektro-Oden. Bassist Jan Müller besinnt sich mit den Formationen "Das Bierbeben" und "Dirty Dishes" auf seine Punk-Wurzeln. Und Keyboarder sowie Gitarrist Rick McPhail produziert mit "Glacier" schwermütigen Gitarren-Rock.

Mit seiner heute erscheinenden Solo-Platte "Love And Hate From A To Z" ergänzt Arne Zank nun den tocotronischen Kreativ-Kosmos. Und nicht umsonst stehen auf seiner MySpace-Seite neben Pop und Elektro die Attribute "Heilen und Easy-Listening".

In neun Stücken ist dem 38-Jährigen eine Mischung aus 70er-Jahre-Folk und Minimal-House geglückt, die zum Tagträumen und Tanzen anregt. Die Gitarren klingen noch simon-&-garfunkelig, während schon feinnerviges Plockern aus dem Laptop einsetzt. Im Start-Song "Acteure & Actricen" steigern sich reduzierte Sound-Schleifen zum fingerschnippenden, bass-wummernden Disco-Groove. Über all dem ertönt Zanks dunkles, sanftes Nicht-Singen, das zunehmend verzerrt und ausfranst. "Zum Glück werden wir gar nichts behalten", lautet da die Botschaft des Yoga-Fans.

Bei der Heimarbeit an seinem Album hat Zank sich "mit diversen esoterischen Themen" beschäftigt und ließ sich durch die"meditativen Momente" von Ambient-Tracks inspirieren. "Das habe ich stundenlang gehört, auch meine Mitbewohner genervt mit Walgesängen und solchen Geschichten." Interessant sei "der unmittelbare Einfluss auf den Körper", den diese Klänge ausüben.

Dennoch ist sein vertontes Ballast-Abwerfen weit entfernt von einlullender Wellness-Musik. Dafür treffen seine hypnotischen Harmonien aus Keyboard und Computer viel zu häufig auf Ideen von Ekstase, auf spannendes Shuffeln und Stottern. Der Hörer driftet nicht nur ab, sondern stolpert auch ab und an. Und nicht zuletzt die Verse bilden einen Kontrapunkt zur reinen Kontemplation, verhandeln Einsamkeit und Trennung. Zwar sei der Ansatz beim Soloarbeiten "so hobbymäßig", erzählt Zank. "Doch beim Rausbringen ist das derselbe Horror" wie bei den Platten, die er mit "Tocotronic" veröffentlicht. "Eigentlich noch schlimmer, weil man alleine vor dem ganzen Wust sitzt."

Als "ganz schön" empfindet er, die Rollen im Bandgefüge auch mal hinter sich zu lassen. Bereits auf den ersten "Tocotronic"-Platten fiel Zank mit einigen beherzten Schrammel-Nummern alleine auf.

Sein relativ spätes Einzel-Debüt hat zwei Gründe - zum einen die Insolvenz des Toco-Stamm-Labels L&39;Age D&39;Or vor zwei Jahren, zum anderen seinen "Forscherdrang" auf dem Gebiet der elektronischen Musik. Neue Impulse holt Zank auch anderswo: Er studierte einige Semester Illustration und drehte Trickfilme, die sich "zwischen Kinderfilm, Sesamstraße, Philosophie und Kunst" bewegen.

Die künstlerische Umtriebigkeit aller "Tocotronic"-Mitglieder sei, so Zank, auch Garant für die Langlebigkeit der Gruppe, die sich 1993 gründete und lange als Inbegriff von Trotz in Trainingsjacken galt. So sah man Zank im Video zu "Wir sind hier nicht in Seattle, Dirk" im Regen durch Hamburg schlurfen. Die Haare strähniger. Das Brillengestell dicker. "Der Arne von Mitte der 90er ist mir schon manchmal fremd", sagt Zank. Geblieben ist - leider - eine Senf-Allergie, die ihn vergangenes Jahr sogar mitten bei einem Konzert in Luzern ereilte.

"Das ist eine ziemlich unangenehme Lebensmittelallergie, wie manche das bei Nüssen haben - mit Asthma und Kreislaufzusammenbruch." Zank kam ins Krankenhaus, der Auftritt ging jedoch mit McPhail am Schlagzeug weiter. Es hat schon Vorteile, in einer vielseitigen Band zu spielen.


Arne Zank: Love And Hate From A To Z (Rock-O-Tronic rec.). Vinyl-Edition in der Hanseplatte, Neuer Kamp 32.