HAMBURG. Achtung! Es ist eine erhebliche Lautstärke zu erwarten." So warnte das völlig ausverkaufte Kampnagel anlässlich des Tocotronic-Auftritts am Dienstag das begierige Publikum. Propagierte der im Sommer erschienene neue Langspieler "Kapitulation" noch die totale Unterwerfung vor allen Erwartungen, gerät die herbstliche Tournee zu einem Triumphzug der vermeintlich Weißgeflaggten.

Um kurz nach 22 Uhr leuchtet das Cover der neuen Platte majestätisch von einer monströsen Leinwand. Die Bühne ist breit und die Verweigerer sind zu Stars geworden. Die ersten Songs zeigen bereits, wohin der Abend geht - eine bunt gemischte Setlist für ein ebensolches Publikum: "Mein Ruin", der energetische Startsong von "Kapitulation", eröffnet auch das Konzert. Die flirrenden Gitarren von McPhail und von Lowtzow im Wechselspiel, erste junge Pogotänzer machen sich warm, Arne Zanks Drums peitschen, Bassist Jan Müller untermauert die der Warnung angemessene Lautstärke und dichte Soundwand. Gestellter Dilettantismus ade, hier herrscht ekstatischer Jubel. Weiter geht's mit einem tausendstimmigen "Ich bin viel zu lange mit euch mitgegangen". Die hübsche Frau neben mir, Mitte zwanzig, mit langen Haaren und feinem Gesicht, singt aus tiefem Herzen mit, schwelgt in der kollektiven Vergangenheit einer ganzen Generation. Vorne zählt nur die schwitzende Gegenwart der über die Menge schwimmenden Stagediver.

Die Band gibt sich gelassen, spielt 20 Songs aus 13 Jahren in 100 Minuten und sorgt mit einer endlosen Schrammelversion von "Freiburg" als letzte Zugabe dafür, dass die Etappen der Bandgeschichte verschmelzen. Kaum eine deutsche Band ist momentan weiter von einer Niederlage entfernt. Die letzte lakonische Ansage des Tocotronic-Frontmannes bringt den klasse Abend auf den Punkt: "Wir waren, sind und bleiben Tocotronic."