HAMBURG. Wenn Radfahrer und Fußgänger den Lessingtunnel in Altona durchqueren, schauen sie meist bange gen Decke, Taubenkot-Attacken fürchtend. Dass es durchaus möglich ist, diese unwirtliche Stätte staunenden Blickes zu passieren, zeigt die Altonaer Künstlerin Sylvia Übelhör. Im Rahmen der Kunst-altonale rollte die 32-Jährige einen roten Teppich auf dem grauen Pflaster aus und hängte Brautkleider an feinen Fäden unter die dicken Stahlträger.

Und siehe da: Autos drosseln die Geschwindigkeit, um mehr vom schwebenden Weiß zu sehen. Radler fahren Slalom um die festlichen Gewänder, die im spannungsreichen Konstrast zur spröden Dunkelheit stehen. Die ersten Neugierigen tragen sich ins Gästebuch ein, das in der Tunnelmitte auf einem Podest liegt.

"Tunnelmystik" nennt Übelhör ihre Installation, die bis Freitagnacht zu sehen, zu begehen und zu beradeln ist. Die Soziologin möchte mit ihrem Projekt zum freien Assoziieren einladen: "Jeder hat andere Ideen zu dem, was er hier sinnlich erfährt, weil jeder einen anderen Hintergrund hat." Um zu möglichst vielen Interpretationen anzuregen, hallten auf der gestrigen Vernissage daher auch fünf verschiedene Musikstile live durch den Tunnel. Fragt sich nur, ob auch die Tauben die Kunst derart zu schätzen wissen.