Das genaue Datum war zwar schon im Dezember, gefeiert wird aber heute.

Hamburg. Eigentlich ist es schon zu spät. Das Streit's-Kino feiert seinen 50. Geburtstag, aber das Jubiläum war schon im vergangenen Dezember. In einer Feier wird heute daran erinnert, was das renommierte Lichtspielhaus am Jungfernstieg, das lange Hamburgs Vorzeige-Premierenkino war, im vergangenen halben Jahrhundert alles er- und überlebt hat: Umbauten, Premieren, Stars, Kinosterben und zahlreiche Gäste.

Zunächst war das Streit's ein Hotel, das seit 1837 am gleichen Platz Gastfreundlichkeit verbreitete. Nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmte es die britische Militärbehörde. Als die Besitzer es zurückbekamen, bauten sie es in ein Bürohaus um und machten aus dem ehemaligen Speisesaal das Streit's-Kino. Eröffnet wurde es am 6.12.1956 mit der britischen Komödie "Doktor Ahoi!". Immer wieder wurde in den folgenden Jahren der rote Teppich ausgerollt, um Stars zu begrüßen. Das Streit's-Kino ist zwar eines der bekanntesten, aber längst nicht das älteste Hamburgs (das Passage-Kino existierte bereits 1913). 1963 erlebte "Das Mädchen Irma la Douce" mit Shirley MacLaine hier seine Weltpremiere. Unter den zahlreichen Deutschland-Premieren waren "Gandhi" mit Ben Kingsley und "Yentl" mit Barbra Streisand. Das war auch möglich, weil das Kino Filmverleihern wie J. Arthur Rank und später der 20th Century Fox gehörte. Ab 1980 war das Streit's ein Ufa-Kino und wurde nach der Insolvenz von den Kieft-Geschwistern übernommen, deren Kinokette von einer australischen Holding geschluckt wurde.

Für Journalisten ist das Streit's wichtig, weil hier (und im Abaton) fast alle Pressevorführungen gezeigt werden. Dann wird das Kino zum Reich der Filmpromoter, die zwischen dem Verleih und der Presse für reibungslosen Informationsfluss sorgen. Für den Doyen der Hamburger Promoter Klaas Akkermann ist das Streit's zum zweiten Wohnzimmer geworden. Bis zu 450 Pressevorführungen hat er früher pro Jahr betreut. Akkermann, nach einer Erkrankung heute im Ruhestand, aber auf dem Weg der Besserung, hat im Streit's die teuren italienischen Metalltapeten mit ausgesucht und für den Bau des nur 35 Sitzplätze großen Streit's-Studio gesorgt, das heute auch Privatpersonen mieten können. Er hat Dustin Hoffman, Wolfgang Petersen und Thomas Gottschalk hier begrüßt, sich mit Roger Moore angefreundet und sich in Goldie Hawn verliebt. Er war dabei, als Clint Eastwood 1995 den ersten Douglas-Sirk-Preis des Filmfests Hamburg bekam. Und er sollte einmal den 150 000. Besucher von "Irma La Douce" prämieren. Leider war es die Frau des damaligen Kinoleiters. "Ich kannte sie vorher nicht", versichert Akkermann noch heute. Auch sein Kollege Dieter Pille hat hier zahlreiche Filme betreut und durfte zur Premiere des ersten Teils von "Rennschwein Rudi Rüssel" (die Fortsetzung läuft gerade in den Kinos) nicht nur die Darsteller Ulrich Mühe und Iris Berben begrüßen, sondern auch ihren "Kollegen", ein waschechtes Schwein.In den vergangenen Jahren hat sich im Streit's viel getan. Die roten Sessel wurden verkauft, jetzt herrscht gediegenes Blau vor. Hatte das Kino zur Eröffnung noch 650 Plätze, sind es nun 463, Doppelsitze für Liebespaare (ohne die störende Mittellehne) inklusive. "Die neuen Sitze sind breiter und bieten mehr Beinfreiheit", sagt der jetzige Kinoleiter Rene Kragl. Die Bar im Eingangsbereich, die schon Hans Albers sehr zu schätzen wusste, erstrahlt in neuem nostalgischen Glanz. Hier tranken sich Kinobesucher die Filme schön, und auch Passanten ließen sich einschenken. "Die Bar und das Kino bilden eine ideale Symbiose", schwärmt Kragl, der das Kino seit eineinhalb Jahren leitet.

Wenn heute an die Kinno-Geschichte erinnert wird, erwähnt vielleicht auch jemand die bildungspolitisch anmutenden Worte aus den 70er-Jahren, die man in einer Kino-Broschüre über das Streit's lesen konnte: "Für viele Menschen ist der Amerikaner, der Deutsche, der Franzose, der Engländer, der Pole so, wie ihn der Film darstellt. Der Film prägt die Weltanschauung von Hunderten, von Millionen. So ist es nicht übertrieben zu behaupten, dass ein modernes, gut geführtes Filmtheater eine wahre Brücke zum Leben im weiteren Sinne ist, die Brücke zu einem schöneren, reicheren Leben, das sich nicht mit einem engen Horizont beschränken will." Was zählt da schon die kleine Verspätung beim Feiern.