Hamburg. Noch haben wir Mozart-Jahr, noch sind XL-Packungen en vogue . In Salzburg hat Jürgen Flimm zwar gerade das radikal wolferlentschlackte Programm für 2007 vorgestellt. Für Amsterdam aber hatte Ingo Metzmacher eine Idee - und den Dickkopf, um sie als Chefdirigent der Nederlandse Opera im sechsmonatigen Proben-Marathon umzusetzen. Warum nur eine der drei Da-Ponte-Opern bringen, wenn man auch drei Premieren, alle in der Regie von Jossi Wieler und Sergio Morabito, an drei Abenden hintereinander realisieren könnte? Nachdem Metzmacher in Hamburg oft seine liebe Not mit der Wiener Klassik und stets einen Bogen um diese Stücke gemacht hatte, wollte er es nun erschöpfend wissen. Und so kam das Zwölf-Stunden-Event ins Rollen: Je zehn Vorstellungen "Così", "Giovanni" und "Figaro", alle ausverkauft, dazu DVD-Mitschnitte, Ausstrahlungen im Kabel-TV und sogar Kinovorführungen. Wenn schon, denn schon.

Nein, es sollte trotz der nahe liegenden Versuchung kein Zyklus herbeiinszeniert werden, sondern, so Metzmacher vorab, "drei Welten, jede total verschieden". Verbindungslinien waren dann auch eher subkutan. Einige Sänger tauchten in zwei Produktionen auf, manche Bühnenideen auch, musikalische Anspielungen sorgten für Aha-Erlebnisse. Die Ergebnisse dieses Dreiviertel-Mozart-Rings waren jedoch nicht aus einem Guss. Am charmantesten und ungezwungensten gelang der Auftakt mit der "Così". Hier wurde die "Schule der Liebenden" als Swinging-Sixties-Strandferienlager mit Don Alfonso als pfeifchenschmauchendem Herbergsvater und den Liebchen-wechsel-dich-Paaren als hormonell aufgewühlten Teenagern, die schnell merken, dass mit erwachsen(d)en Gefühlen nicht zu spaßen ist. Das war als Idee apart, mit leichter Ironie und tiefem Ernst versehen, musikalisch jedoch blieben Wünsche offen. Denn obwohl Metzmacher dem Nederlands Kamerorkest Naturhornisten und einen vibratoarmen, historisierend gedachten Klang verordnet hatte, rumorte und rappelte es mächtig im Partitur-Unterholz. Niedlich war der running gag für die Rezitativ-Begleitung, die übernahm hier ein schluffiger Wandergitarren-Hippie am Bühnenrand.

Der zweite Abend: komplett vergeigt, denn dieser "Don Giovanni" schleppte sich wie im Wachkoma ins Finale. Wieler/Morabito hatten sich von Barbara Ehnes eine vermuffte Bettengruft auf drei Ebenen konstruieren lassen, in der alle, die gerade nicht zu singen hatten, lethargisch in ihre Kissen zurücksinken sollten. Alles nur geträumt? Schön wärs. Mit der Regie ging die grobgestrickte Paartherapie durch, der Komtur wurde nicht erstochen, sondern starb einfach so, weil er ein Puppen-Double seiner Tochter zugeworfen bekam; dafür kehrte der Schwerenöter Don Giovanni am Ende dieser albtraumartigen Nacht der singenden Scheinleichen als Schlusspointe zurück aus der Hölle. Noch verspannter als dieses hanebüchene Konzept war der Dirigent. Metzmacher fand keinen Zugang ins Stück, keinen sinnlichen Grundtonfall, der die Dramatik vorantrieb und in der Balance hielt. Also wurde mit Nachdruck Bedeutung simuliert, während eine viktorianische "Commendatrice" das, Achtung Pointe!: Virginal bediente. Der Giovanni von Pietro Spagnoli und Jose Fardilhas Leporello entschädigten für das Gesehene, Charlotte Margionos Donna Elvira schrammte hart an der Schmerzgrenze entlang. Schon während der Premiere setzte es dafür Buh-Rufe.

Das Schlussdrittel mit dem "Figaro" konnte diese Niveaudelle nicht ausbeulen. Nach Pubertätsdrama und Schlafsaal ging's in die Gegenwart, in den Autosalon Almaviva. Rund um einen grünen Sportflitzer tobte das Verwirrspiel, Cherubino mutierte zum Mechaniker, Figaro zum Autoverkäufer, und für die Rezitative griff Metzmacher selbst in die Tasten eines Synthesizers. Viel routinierte, gut geölte Regie-Hektik spulte sich in dieser Aktualisierungsschräglage ab, kaum Besinnung aufs Eigentliche. Erst ab der Gartenszene kam die Motorik des Stücks zur Ruhe, als das nächtliche Durcheinander per Überwachungskamera auf einer Leinwand gezeigt wurde, während das Ensemble zum konzertanten Standbild gefror. Wie schon in der "Così", waren auch hier Danielle De Niese (Despina/Susanna) und Maite Beaumont (Dorabella/Cherubino) stimmliche Aktivposten, Garry Magee (Alfonso/Almaviva) und vor allem Luca Pisaroni (Guglielmo/Figaro) steigerten sich beeindruckend in ihren zweiten Hauptrollen. Das hatten sie mit dem Chefdirigenten gemeinsam, der nun, kurz vorm Ziel, doch noch dazu kam, die Musik im dritten Anlauf ungekünstelt wirken zu lassen.