Kulturhaus West: Hamburger Privatleute engagieren sich ehrenamtlich. Auf 400 Quadratmetern entsteht in der Großen Bergstraße 162 ein lebendiges Forum für Vorträge und Ausstellungen.
Hamburg. Daß das Mercado an der Ottenser Hauptstraße in Zukunft einmal verwaist daliegen, gar als häßlich erachtet werden würde, ist derzeit unvorstellbar. Zwischen den Marktständen tobt das pralle Leben. Vor 30 Jahren galt das "Forum Altona" auf der anderen Seite des Altonaer Bahnhofs als letzter Schrei in Sachen Shopping. Heute fungiert das leerstehende Einkaufszentrum in der Großen Bergstraße lediglich als Denkmal für behäbig brachliegende Betonbauweise. Ein Ort, der seine Bestimmung verloren hat.
Diesen undefinierten, rohen Zustand möchte die Juristin und Veranstaltungsmanagerin Sigrid Berenberg mit einem Dutzend Mitstreiter kreativ nutzen. Auf einer Fläche von 400 Quadratmetern soll ein breitgefächerter Mix von Themen für Inspiration in der tristen Fußgängerzone sorgen. Gesellschaft, Politik, Religion und Philosophie stehen ab dem 1. September ebenso auf dem Programm wie Kunst, Literatur und Theater, Architektur, Mode und Design. "Kulturhaus West" nennt sich der Verein, der die Hausnummer 162 als erste Adresse für ungewöhnliche Veranstaltungen mit Niveau etablieren möchte.
Die Macher hoffen auf die Sogwirkung erfolgreicher Aktionen wie des Kunstprojekts "Ding Dong!" im ehemaligen Karstadt-Gebäude oder der Schau "Stile der Stadt", die noch bis zum 26. Mai in der Großen Bergstraße 152 zu sehen ist. Im Rahmen eines Wettbewerbs suchen Studenten der Hamburger Akademie Mode Design (AMD) noch nach Name und Logo für das Kulturhaus. Eine Jury, der Agentur-Chef Rainer Groothuis, Malerin Pamela Biermann und Josh Kasthönig von der Werbeagentur Colt Communication angehören, kürt im Juni den besten Entwurf.
"Wir möchten Menschen von der City bis nach Rissen erreichen", erklärt Berenberg. Schon seit längerem trieb sie die Idee um, ein Kulturzentrum für Hamburgs Westen zu schaffen. Auf der Suche nach einem Standort traf die Initiatorin auf Quartiersmanagerin Margit Bonacker, die das Kulturhaus-Team vom ehemaligen "Forum Altona" überzeugte. Der Eigner, die HypoVereinsbank, läßt den Verein mietfrei wirken. Pastellfarben gestrichene Säulen treffen in den Räumen auf den industriellen Schick dicker Lüftungsrohre. "So eine Atmosphäre kriegt man selbst gar nicht hin", schwärmt Berenberg vom rauhen Charme des Gebäudes - und das soll in der Eröffnungswoche nach und nach "erobert" werden.
Unter dem Motto "Visionen für Altona" illustrieren Designstudenten ab dem 1. September, wie sie die verlassene Konsumpassage gestalten würden. Diskutieren ist dabei extrem erwünscht. Gastgeberinnen der Ausstellung sind Elke Jensen, Design-Dozentin an der AMD, sowie Frauke von Jaruntowski, die an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in der Armgartstraße Mode unterrichtet. "Die stehen dann auch zum Empfang an der Tür", sagt Berenberg - und lacht. Doch das Prinzip ist ernst gemeint. Denn das Projekt, das die Berufstätigen ehrenamtlich in ihrer Freizeit betreuen, hat sich seit Januar nur deshalb so zügig entwickelt, weil die Aufgaben klar verteilt sind.
Um Aktionen im Bereich Musik kümmert sich zum Beispiel Karin Freifrau von Voithenberg, Volkswirtin und freie Kulturmanagerin für St. Katharinen, sowie die Musik-hochschule. Berenberg ist für Kunst und Sonderevents zuständig. Alle Organisatoren präsentieren ihre Themenkomplexe auf der großen Eröffnungsparty am 9. September. Bis Jahresende sind wöchentlich dienstags und donnerstags Vorträge, Konzerte, Lesungen und Workshops geplant. Ab 2007 soll dann die Programmfrequenz erhöht werden.
Auch Kultursenatorin Karin von Welck habe schon ihr Wohlwollen bekundet. Eine ideelle Förderung, keine finanzielle. Sprich: Sponsoren sind willkommen. Während die Agentur Groothius, Lohfert und Consorten die Homepage und den ersten Flyer stiftet, fehlt noch ein Beleuchtungssystem. "Das muß uns einer schenken", sagt Berenberg zielstrebig - damit das ehemalige Einkaufszentrum wieder zu einem lebendigen Forum für Altona wird. Nur diesmal nicht für Kommerz, sondern Kultur.