Was soll man schreiben: großartig, phänomenal, atemberaubend? Alles viel zu reißerisch. Einfach Aimard! Pierre-Laurent Aimard ist einer, der sich nach einem Schlussakkord als erstes mit Handschlag bei seinem Umblätterer bedankt und noch eigenhändig dessen Klavierhocker aus Weg räumt.

Was soll man schreiben: großartig, phänomenal, atemberaubend? Alles viel zu reißerisch. Einfach Aimard! Pierre-Laurent Aimard ist einer, der sich nach einem Schlussakkord als erstes mit Handschlag bei seinem Umblätterer bedankt und noch eigenhändig dessen Klavierhocker aus Weg räumt. Das getan, setzt er sich ohne Umstände wieder hinter seinen Flügel und startet zum nächsten Höhenflug.

Und Aimard ist einer, der vor dem ersten Ton gnadenlos seine Hände eine Minute lang stumm über der Tastatur schweben lassen kann, bis auch der letzte Kampfhuster erstickt ist. "Schlimmer als Brendel", murmelt ein Abonnent. Man muss das als Kompliment nehmen, denn was die Konzentration angeht, die er still aber nachdrücklich einfordert, toppt Aimard noch den grantelenden Musikphilosophen. Und Aimard spielt entsprechend: unprätenziös, mit einer Radikalität, die ganz aus der Sache gerechtfertigt ist.

Als Lotze durch die Klanglabyrinthe der Modernde hat er sich einen Namen gemacht, mit Ligetis Etüden hat er sein Publikum schwindelig gespielt. Mit Bachs "Kunst der Fuge" bewies der nun, dass er dasselbe auch mit 250 Jahre alter Musik schafft. Feine Unterschiede in der Artikulation und eine zurückhaltende Dynamik reichten ihm, jeden Themeneinsatz und jede Gegenstimme hörbar zu machen. Ein sinnenverwirrende komplexes Stimmgewebe, aber auch erstaunlich poetische Charaktere waren das Ergebnis.

Und auch wo andere in Beethovens Sonate op. 110 nur Akkordbrechungen und Tremoli spielen, entdeckt Aimard noch Gegenstimmen und Patterns. Selbst ein "Moderato cantabile" wird da schnell so dicht und vielgestaltig, dass man hörend und bewundernd kaum noch nachkommt.