Barack Obama ist ein Präsident der Medien. Er nutzt sie - fast - virtuos, um seine Ziele zu verkünden. So wie jetzt bei Jay Leno.
Hamburg. Hinter ihm stehen das amerikanische Volk und der Mann mit dem Defibrillator: Barack Obama (47) ist als erster US-Präsident in einer amerikanischen Late-Night-Talkshow aufgetreten. Da war selbst Gastgeber Jay Leno (58), Talkmaster-König der "Tonight Show" auf NBC, aufgeregt. Vertraut und freundschaftlich unterhielten sich der Präsident und sein Gastgeber. Es wurde viel gelacht, die Stimmung war sehr aufgekratzt. Aber es gab auch viele ernsthafte Momente.
Obama nutzte den Besuch im Studio im kalifornischen Burbank für sein Krisenmanagement. Banken- und Finanzkrise, die Gier der Manager, ein gerechtes Steuersystem, Basketball und Hund im Weißen Haus - Obama machte den Rundumschlag. Nur den Abgang verpatzte er mit einer missverständlichen Äußerung über Bowling und Behinderten-Olympiade. Obamas Sprecher Bill Burton musste die "spontane Bemerkung" sofort gerade rücken. Das Abendblatt druckt Auszüge aus dem Gespräch:
Leno:
Als Sie das letzte Mal in der Sendung waren, kamen Sie herein, hatten das Jackett über dem Finger baumeln und zwei Sicherheitsbeamte im Schlepptau. Ist jetzt alles anders?
Obama:
Als wir gestern in Costa Mesa landeten, habe ich gefragt, ob wir nicht zum Rathaus hinübergehen könnten. Der Secret Service sagte: "Nein, Sir, das sind etwa 700 Meter." (Lachen) Ich fing an zu rechnen, sagte, das sei ein Weg von fünf Minuten. 'Ja, Sir, tut uns leid.' (Lachen) Ich durfte dann wenigstens zurück zu Fuß gehen. Aber der Arzt mit dem Defibrillator ist immer direkt hinter mir. (Lachen)
Leno:
Sie sind jetzt 59 Tage im Amt und werden ständig beurteilt und kritisch beäugt. Ist das fair nach so kurzer Zeit?
Obama:
Wir machen gerade schwierige Zeiten durch. Ich stelle mich dieser Herausforderung. Ich wollte Präsident werden, weil ich dachte, dass das Land Veränderung braucht. Die Menschen wissen, dass dieser Schlamassel nicht von heute auf morgen gekommen ist und dass es eine Weile dauert, bis es wieder aufwärts geht. Und wenn sie merken, dass wir Dinge wie Energieversorgung, Bildung und Gesundheit anpacken, die in ihrem Leben eine große Rolle spielen, werden die Menschen uns auch mehr Zeit geben.
Leno:
Als Sie von den Bonus-Zahlungen bei AIG erfahren haben, sahen Sie sehr verärgert aus. Eher sogar fassungslos.
Obama:
Fassungslos ist genau das richtige Wort. AIG war ein normaler, alter Versicherungskonzern, der alles Mögliche versicherte und solide Geschäfte gemacht hat. Dann hat so ein Schlaumeier diesen Hedgefonds und den Verkauf von Derivaten an Banken auf der ganzen Welt erfunden. Irgendwann war AIG so verschuldet und gleichzeitig so verstrickt mit allen möglichen Banken und Institutionen, dass das ganze Finanzsystem zusammengebrochen wäre, wenn wir AIG hätten pleitegehen lassen. Deshalb mussten wir intervenieren. Die Frage ist doch jetzt, wer besitzt die Frechheit, diese Bonus-Zahlungen zu genehmigen, wenn die Firma pleite ist? Das ist ein Ausdruck der Kultur und des Denkens, die an der Wall Street geherrscht haben, wo die Leute einfach überzeugt waren, dass ihnen derartige Zahlungen zustehen.
Leno:
Ich habe gehört, dass die Bonuszahlungen vertraglich vereinbart waren und eingeklagt werden können.
Obama:
Die US-Regierung wird alles tun, um diese Boni zurückzubekommen. Aber die Manager haben rechtlich argumentiert, und das ist nicht notwendigerweise falsch. Aber es geht eben auch um Moral und Ethik. Deshalb sind die Menschen so aufgebracht. Das Wichtigste ist jetzt, dass wir den Finanzmarkt regulieren und transparenter machen, damit nicht Firmen wie AIG den Rest der Welt als Geiseln nehmen können. Die Krise hat sich ja nicht nur in den vergangenen sechs Monaten entwickelt, das ging schon jahrelang so. Menschen haben mit dem Geld anderer Menschen hochriskante, spekulative Geschäfte gemacht. Und niemand hat ihnen auf die Finger geguckt oder sie gestoppt. Das wollen wir jetzt ändern.
Leno:
Der Kongress hat gerade beschlossen, dass 90 Prozent der Bonuszahlungen für Manager unter bestimmten Voraussetzungen als Steuer an den Staat fallen sollen. Das erschreckt mich als Steuerzahler. Was ist, wenn ich zu einer Gruppe gehöre, die beim Kongress in Ungnade fällt?
Obama:
Der Kongress hat auf die landesweite Verärgerung reagiert, ich verstehe den Frust. Aber ich denke, es ist besser, der Sache endgültig einen Riegel vorzuschieben. Ich möchte zum Steuersystem der 90er-Jahre zurück. Besserverdiener wie Sie oder ich sollten mehr zahlen, damit mehr für Gesundheit, Bildung oder Energiesicherheit ausgegeben werden kann. Das Wichtigste über die nächsten Monate ist, dass wir nicht an vielen Stellen ein bisschen herumbasteln, sondern dass wir stetig Forschritte machen und die Grundlage für Wirtschaftswachstum auf lange Sicht schaffen.
Leno:
Würden sich die Leute, die alles verloren haben, besser fühlen, wenn jemand wie Bernard Madoff (Anmerkung der Redaktion: Der frühere Vorsitzende der Technologiebörse Nasdaq wurde Ende 2008 als jahrzehntelanger Betreiber eines Investmentfonds nach dem Schneeballsystem verhaftet, zurzeit läuft der Prozess) ins Gefängnis müsste?
Obama:
Ja, das würde ihnen wohl Genugtuung verschaffen. Aber hier ist das kleine schmutzige Geheimnis. Das meiste, was zu dieser Krise geführt hat, war völlig legal. Deshalb müssen wir unsere Gesetze ändern. Es muss für junge Leute attraktiv sein, eher Ingenieur, Lehrer, Wissenschaftler oder Arzt zu werden als Investment-Banker. Wir müssen zu Regeln zurückkehren, die dem gesunden Menschenverstand folgen. Rund 40 Prozent unseres Wachstums war im Finanzsektor. Jetzt merken wir, dass vieles daran nicht real war, nur auf dem Papier existierte. Wir brauchen stetiges Wachstum.
Leno:
Lassen Sie mich noch ein paar persönliche Fragen stellen. Wie cool ist es, mit der Präsidenten-Maschine Air Force One zu fliegen? (Lachen)
Obama:
Ziemlich cool, vor allem, weil nur ich die Jacke mit dem Präsidenten-Siegel bekomme. (Lachen)
Leno:
Sie mögen ja Basketball. Haben Sie die Bowlingbahn im Weißen Haus geschlossen?
Obama:
Nein, ich trainiere, habe 129 Punkte geschafft. (Lachen, Applaus)
Leno:
Das ist sehr gut, Herr Präsident.
Obama:
Ja, wie bei der Behinderten-Olympiade oder so. (Lachen)
Leno:
Und spielen Sie noch Basketball?
Obama:
Ja, aber ich werde nicht mehr so oft gefoult, weil jetzt die Sicherheitsbeamten mit ihren Waffen dabei sind. (Lachen)
Leno:
Zum Schluss die Sache mit dem Hund. Wann kommt der ins Weiße Haus? Ich dachte, das Tier sollte schon längst da sein.
Obama:
Hören Sie zu, das ist Washington. Das war ein Wahlkampfversprechen (Lachen) . Ich mache nur Spaß, wir bekommen in Kürze einen Hund.
Leno:
Wie schnell?
Obama:
Anfang April reise ich zum Nato-Gipfel nach Straßburg und Baden-Baden, danach ist der Hund da.
Leno:
Und haben Sie sich nun für einen Portugiesischen Wasserhund entschieden?
Obama:
Nein, nicht für so einen. Meine Töchter werden viel Spaß haben, ich werde viel Spaß haben. Sie kennen doch das Sprichwort: "Wenn du in Washington einen Freund haben willst, dann schaff dir einen Hund an." (Lachen)
Leno:
Genau. Herr Präsident, dies war einer der besten Abende meines Lebens. Herzlichen Dank, Sir.