“Der seltsame Fall des Benjamin Button“ erzählt von einem Mann, der als Greis auf die Welt kommt. Bildergalerie: Die Premiere des Films in Berlin

Berlin. Von Altersflecken keine Spur. Brad Pitt sieht aus wie aus dem Ei gepellt. Eleganter dunkler Anzug, braune Krawatte, etwas altmodische Frisur mit Seitenscheitel und einem dünnen Oberlippenbärtchen. Seine 45 Jahre glaubt man ihm kaum. Wie er da auf dem Podium im Ballsaal des Hotel de Rome in Berlin sitzt, wirkt er wie ein Mittdreißiger. Alter ist das zentrale Thema, über das der Schauspieler und Hollywood-Regisseur David Fincher Auskunft geben. Denn das Duo hat einen Film über ein Mann gedreht, der als Greis auf die Welt kommt und sie als Baby wieder verlässt: "Der seltsame Fall des Benjamin Button" feierte gestern Abend Europapremiere im CineStar am Potsdamer Platz.

Finchers Film, nach "Seven" und "Fight Club" seine dritte Zusammenarbeit mit Brad Pitt, ist eine Auseinandersetzung mit dem Leben, aber mehr noch mit dem Tod. Und dem Loslassen. "Nein, vor dem Alter habe ich keine Angst", sagt Brad Pitt, "eher vor Feuer oder zu großer Höhe." Diese introspektive Reise durch die Gefühlswelt des von Pitt gespielten Benjamin Button schwelgt in opulenten Bildern, ist sehr detailgetreu ausgestattet und dürfte fast sicher den Oscar für das beste Make-up bekommen.

Mit seinem jugendlichen Äußeren war Brad Pitt sicher eine Idealbesetzung für die Titelrolle. Wie die Make-up-Künstler es jedoch geschafft haben, ihn und die sechs Jahre jüngere Cate Blanchett als Greise darzustellen, ist beeindruckend. Beide haben während der Dreharbeiten mehr Zeit beim Visagisten verbracht als vor der Kamera. Pitt hatte sein Mitwirken an "Benjamin Button" davon abhängig gemacht, dass er die Titelfigur in allen Phasen spielen darf. "Ich hatte das Drehbuch länger als ein Jahrzehnt bei mir liegen, aber lange waren die technischen Voraussetzungen nicht da, um diese ungewöhnliche Story im Kino zu erzählen", erklärt Fincher. In vielen Szenen wird Pitts Kopf mit digitaler Technik auf den Körper eines Doubles montiert. "In Zukunft kann ich dann zu Hause im Schaukelstuhl sitzen und ein paar Grimassen ziehen, während die Doubles arbeiten", lacht der Filmstar.

Die Atmosphäre auf dem Podium ist entspannt, an dem spontanen Zusammenspiel von Schauspieler und Regisseur lässt sich ablesen, dass zwischen ihnen eine lange Partnerschaft besteht. "Man braucht viel gegenseitiges Vertrauen, um so ein Projekt anzugehen", sagt Pitt, der schon vor zehn Jahren in Finchers Pläne eingeweiht gewesen ist. Man sei stolz auf diesen Film, dem etliche Oscar-Chancen eingeräumt werden. "Es ist zwar ein gutes Gefühl, von der Academy ausgezeichnet zu werden. Aber wenn nicht, auch egal, denn der Film bleibt, was er ist", sagt Pitt.

"Der seltsame Fall des Benjamin Button" basiert zwar auf der gleichnamigen Short Story (was in etwa der Kurzgeschichte in der deutschen Literatur entspricht) von F. Scott Fitzgerald, doch Fincher und Drehbuchautor Eric Roth haben nur die Ausgangssituation und Motive von Fitzgeralds Vorlage behalten, ansonsten aber eine völlig neue Story erdacht. Wie sonst wäre es auch möglich, aus einem schmalen Bändchen einen 165 Minuten langen Film entstehen zu lassen? Fincher lässt seinen Film nicht im Jahr 1860 wie bei Fitzgerald, sondern 1918 am Ende des Ersten Weltkriegs beginnen und im August 2005 enden. Schauplatz ist New Orleans, der Film endet mit dem Hurrikan "Katrina", der die Stadt am Mississippi damals zu großen Teilen zerstört hat.

"Der seltsame Fall des Benjamin Button" ist eine Reise in das eigene Ich. Er fragt nach dem Wert des Lebens und gibt Antworten, die ganz gut in die Zeit des Aufbruchs und Umbruchs im Amerika von Barack Obama passen. "Für uns beginnt eine neue und gute Ära ohne Zynismus", kommentierte Brad Pitt Obamas Präsidentschaft. Geradezu bezeichnend ist in diesem Zusammenhang eine der erste Szenen im Film, in denen das auf einer Treppe abgelegte neugeborene weiße Kind mit dem Greisengesicht von einer jungen und warmherzigen Afroamerikanerin aufgehoben, gerettet und erzogen wird - in einer Zeit von extremem Rassismus besonders in den Südstaaten der USA. Benjamin Button wächst in einem Altenheim auf, er geht hinaus ins Leben, fährt in einem Schleppboot um die Welt, er findet die Liebe und verliert sie wieder, er freut sich des Lebens und er wird mit dem Tod konfrontiert. Doch dem begegnet er mit großem Gleichmut - als etwas Unausweichlichem.

"Ich war erst in der Lage, diese Rolle auszufüllen, seit ich weiß, was es bedeutet, Vater zu sein", erklärte Brad Pitt. Mit seiner Lebensgefährtin Angelina Jolie zieht er inzwischen eine ganze Schar von eigenen und adoptierten Kindern auf. Während der Dreharbeiten besuchte Jolie mit den Kindern ihren Mann, der sich allen in der Greisenmaske präsentierte. "Die kommentierten diesen Scherz leider nicht. Da kam ich mir ein bisschen blöd vor."