Wenn Harry Kupfer inszeniert, gräbt er auch in einer kitschmunteren Operette nach den Wurzeln für ein kritisches Verständnis. Bei Franz Lehárs “Lustiger Witwe“, dem Welterfolg, der in Hamburg 71 Jahre auf seine Neuinszenierung im großen Haus der Staatsoper warten musste... Bildergalerie: Die Lustige Witwe in der Staatsoper

Hamburg. Wenn Harry Kupfer inszeniert, gräbt er auch in einer kitschmunteren Operette nach den Wurzeln für ein kritisches Verständnis. Bei Franz Lehars "Lustiger Witwe", dem Welterfolg, der in Hamburg 71 Jahre auf seine Neuinszenierung im großen Haus der Staatsoper warten musste, verlegte er die Operette gleich ganz ins Filmstudio vor die ständig kreisenden Kameras, wo sie als süß verkitschte Nachkriegsklamotte in Licht gerückt wurde Verfremdung mit wenig Augenzwinkern, wenig Vertrauen in die echten Gefühle jenseits jeder Inszenierung, dafür mit reichlich Zeigefinger. Das brachte schöne Bilder, kostete an vielen Stellen aber Tempo und konnte die Welthits aus Lehars Partitur nicht wirklich rund aneinanderfügen. Karen Kamensek, die Stellvertreterin von Simone Young, am Pult ließ die Philharmoniker bei der Premiere am Sonntagabend anfangs nicht immer mit ausreichend Sinn für die Sänger begleiten. Unter den Solisten glänzten Camilla Nylund in der Titelpartie der selbstbewussten, steinreichen Witwe, die es von Anfang an schlau auf ihren Grafen abgesehen hat. Gabriele Rossmanith konnte ihr stimmliches und komödiantisches Können als Valencienne voll ausspielen. Nikolai Schukoff als ungesüßter Danilo passte gut ins gebrochene Regiekonzept, nur Jun-Sang Han als Rosillon setzte stimmlich voll auf Operettenschmelz.

Bildergalerie: Die Lustige Witwe in der Staatsoper

Am Ende siegte die Musik "Das Studium der Weiber ist schwer" sang der Chor und das Publikum klatschte Verfremdung hin, Begeisterung her­ unbekümmert mit und dachte natürlich nicht mehr an den Reichtagsbrand, den Kupfer in der ersten Hälfte bedeutungsschwanger im Hintergrund auflodern ließ. Nach dem letzten Takt dann ein kleiner, nicht allzu leidenschaftlich ausgetragener Kampf zweier Linien: laute Bravos für die Musik, kräftige Buhs für die Regie. Diese "Witwe" braucht noch einige Zeit, um volle Fahrt aufzunehmen.