Von heute an steht in München ein Frauenflüsterer, Herzensbrecher, professioneller Kurschatten und mutmaßlicher Erpresser vor Gericht, dessen Beruf...

Hamburg. Von heute an steht in München ein Frauenflüsterer, Herzensbrecher, professioneller Kurschatten und mutmaßlicher Erpresser vor Gericht, dessen Beruf in den meisten Berichten als "Gigolo" angegeben wird.

Was ist das, ein "Gigolo"? Und gibt es diesen Beruf überhaupt noch, der nach dem Ersten Weltkrieg und in der großen Depression von 1929 entstand und über den es einen schönen Schlager gab: "Schöner Gigolo, armer Gigolo, träum nicht von vergangnen Zeiten / Wo du als Husar / Gold verschnürt sogar / Durch die Straßen konntest reiten / Uniform passe / Liebchen sag Ade / Schöne Welt du gingst in Fransen / Wenn das Herz dir auch bricht / Mach ein lachendes Gesicht / Denn man zahlt, und du musst tanzen!"

Das war also zu der Zeit, als die Karrieren der Rittmeister und Husarenleutnants nach dem verlorenen Krieg und die der jungen Reichen in der Wirtschaftsdepression zerbrachen. Sie wurden Gigolos, das heißt, sie verdienten ihr Geld mit eleganten Manieren und ihrer Unterhaltungs- und Tanzkunst auf den Tanztees der einsamen Herzen, wo sie in eleganten Hotels, etwa dem Adlon in Berlin, reiche Witwen und vom Ehemann Vernachlässigte beim Tanzen umschmiegten und mit eleganter Konversation umschmeichelten.

Ein Beruf im schummrigen Zwielicht. Der junge Billy Wilder, Reporter bei der "BZ", hat ihn eine gewisse Zeit im Hotel "Eden" ausgeübt, teils weil er Hunger hatte, teils weil er danach eine (glänzend gelungene) Reportage über Tanzen, Geldschnorren und Lieben schreiben wollte. Seine Gigolo-Erfahrungen schlugen sich in dem Film "Sunset Boulevard" nieder, wo ein junger Drehbuchschreiber (William Holden) zum Gigolo eines alternden Stummfilmstars avanciert - als Mann für gewisse Stunden. 1980 spielte Richard Gere den "American Gigolo" in Armani-Chic und mit Sportwagen-Eleganz, der zum edlen Ritter für seine herbstlich-schöne Kundin wird - aus Diskretion für die Gattin eines hohen Politikers.

Der jetzt angeklagte Gigolo stammt ausgerechnet aus der Schweiz, deren Womanizer-Charme bis dato eher aus dem Bankgeheimnis bestand und der gurgligen Aussprache von Bergführern und Skilehrern. Auch seine Konversation wie seine Manieren entpuppten sich als löchriger Käse, er verglich sich, als er vom Süßholzraspeln zur Erpressung überging am Telefon, mit einem ins Klo geworfenen Präservativ.