Für den Dirigenten und Intendanten des Schleswig-Holstein Musik Festival zieht sich Mendelssohn und dessen Werk wie ein roter Faden durch sein Leben. Die erste Schallplatten-Aufnahme seines Vokalensembles in Marburg bestand aus Kantaten des Komponisten.

Mendelssohn zieht sich wie ein roter Faden durch mein musikalisches Leben - seit ich Musik mit dem Chor mache. Die Anfänge waren in den späten 1960er-Jahren in Marburg, als ich mit Mitte 20 ein eigenes Vokalensemble hatte. An Mendelssohn kommt man nicht vorbei, gerade wenn man viel a cappella-Musik dirigiert. Wir haben natürlich die Motetten gemacht, aber auch seine weltlichen Lieder.

Und dann wollte das Schicksal, dass die damalige Firma Bärenreiter-Musicaphon einen Schallplattenvertrag mit dem Marburger Chor abgeschlossen hat. Als erstes ist eine Einspielung mit Mendelssohn-Kantaten entstanden, die zu der Zeit noch keiner kannte.

Dass meine erste Aufnahme gleich Mendelssohn gewidmet war, ist so ein Meilenstein in meiner Beschäftigung mit dem Komponisten. Neben dem geistlichen Schaffen schätze ich auch die anderen Werke sehr; ich habe zum Beispiel die "Walpurgisnacht" ein wunderbares Stück, mit einer unglaublich lebendigen Textvertonung letzten Herbst in Shanghai dirigiert.

In diesem Jahr spielt der "Elias" eine wichtige Rolle, den ich unter anderem in Helsinki und dann beim Schleswig-Holstein Musikfestival mit dem Basler Kammerorchester aufführen werde da erfüllt sich für mich ein großer Traum, weil es auf historischen Instrumenten noch mal ein ganz anderes Klangerlebnis ist: Wenn der Elias mit seinem feurigen Wagen in den Himmel fährt und dazu die Naturhörner schmettern, ist das ein großer Kontrast zu dem weichgezeichneten Sound, wie man ihn sonst meistens hört.

An Mendelssohn als Vokalkomponist schätze ich besonders, dass er immer für die Stimme schreibt, ohne die Sänger überanzustrengen. Die drei doppelchörigen Motetten etwa klingen einfach wie Balsam - und wenn man wirklich alle dynamischen Facetten und Kontraste der Partituren ausreizt, ist das zeitlose Chorschulung auf höchstem Niveau. So wie auch bei Brahms ich weiß nicht, warum Mendelssohn weniger aufgeführt wird. Kein guter Chor sollte an Mendelssohn vorbei gehen.

Auch als Interpret hat Mendelssohn eine bahnbrechende Bedeutung: Er gilt ja als einer der ersten wirklich kompetenten Dirigenten, und hat außerdem angefangen, historisch zu denken und Sachen aus dem Archiv zu holen wie etwa die Matthäuspassion von Bach oder Händels Oratorien. Von diesen Wiederentdeckungen und dem Interesse für die Vergangenheit leben wir noch heute, damit hat er einen Trend gesetzt, der bis heute anhält. Deshalb halte ich ihn für absolut modern. Man sollte das Mendelssohn-Jahr unbedingt dazu nutzen, ihn noch aktueller zu machen, indem man ihn viel aufführt!