Pompös, barock und mit viel Pop-Appeal. Im Musical Theater Bremen feierte “Marie Antoinette“ des Erfolgsduos Michael Kunze und Sylvester Levay eine umjubelte Europapremiere. Die Historie nahm eine Statistenrolle ein.

Bremen. Die französische Revolutionsgeschichte mit all ihren Grausamkeiten wird seit jeher für musikalische Dramen ausgeschlachtet. "Les Miserables" entwickelte sich Anfang der 80er-Jahre zum Dauerbrenner auf den Spielplänen. Ausgerechnet in Japan entstand die Idee, ein Musical über die umstrittene französische Monarchin Marie Antoinette zu kreieren, die mit 38 Jahren auf dem Schafott der Revolution endete. Es stammt aus der Feder des Erfolgsduos von "Elisabeth" und "Mozart!", Autor Michael Kunze und Komponist Sylvester Levay und wurde 2006 erfolgreich in Tokio uraufgeführt. Nun holte Generalintendant Hans-Joachim Frey Europapremiere und deutschsprachige Erstaufführung ebenfalls in der Regie des Japaners Tamiya Kuriyama ins Musical Theater Bremen.

Die Erzählung setzt im Paris von 1775 ein. Ein schwarzlockiger Magier namens Cagliostro moderiert den Abend. Das Volk leidet immer größere Not, während die Aristrokraten mit ihrer Dauerparty die Staatskasse ruinieren. Der selbstsüchtigen und intriganten Jungmonarchin Marie Antoinette (stimmlich stark: Roberta Valentini) sind die Untertanen lästig. Wenn sie kein Brot hätten, sollen sie gefälligst Kuchen essen, so der überlieferte Königinnenspruch. Und das Lied "Kuchen, Kuchen!" erklingt. Dank eines Kunstgriffs des Autors begegnet Antoinette mehrfach einem armen Straßenmädchen aus dem Volk, der Veilchenverkäuferin Margrid Arnaud. Bei der ausdrucksstarken Sabrina Weckerlin wird diese rasch zur Hauptdarstellerin des Abends und sahnt einen Szenenapplaus nach dem anderen ab. Manche ihrer kämpferischen Melodien erinnern verdächtig an Donna Summer, für die Levay einige Hits geschrieben hat. Andere balancieren hart an der Grenze zur Schnulze ("Ich weine nicht mehr").

Nicht nur das Volk ist der naiven Königin lästig, auch ihr farb- und leidenschaftsloser Ehemann, König Louis XVI. Weshalb sie hier den stattlichen schwedischen Grafen Axel von Fersen (ordentlich: Patrick Stanke) zu ihrem Geliebten erhebt. Doch die Historie lässt sich auch von Musicals schwerlich zurechtbiegen. Der Staat geht Bankrott. Die Bastille wird erstürmt. Die Frauen ziehen vor den Palast und die Jakobiner um Robespierre wollen royale Köpfe rollen sehen. Der Ausgang ist bekannt.

Die Bühnenbilder schweben von oben herab. Und natürlich sind alle Sänger perfekt ausstaffiert. Die Uniformknöpfe glänzen, die Reifröcke schwingen. Die Lieder kommen hübsch süffig daher, bedienen mal den sentimentalen Schlager, mal die Filmmusik und dann wieder die Rockoper mit revolutionärem Impetus. Doch am Schluss geht die Geschichte nur bedingt auf. Die hochmütige und bornierte Aristokratin eignet sich nun mal nicht wirklich als Sympathieträgerin. Und gegen die historische Dimension der Ereignisse nimmt sich ihr Liebesschicksal reichlich banal aus. Bewiesen wurde es ohnehin nie. Am fragwürdigsten erscheint allerdings der Kunstgriff der derbe menschelnden "Verschwisterung" des Straßenmädchens mit der gefangenen Königin kurz vor der Guillotine. Was vom Musical übrig bleibt? Ein paar schöne Melodien, eine für französische Stücke wohl unvermeidliche Rotlicht-Szene, eine Staffage à la Hollywood, bei der man sich zuweilen gut unterhalten fühlt und zwei tolle weibliche Stimmen. Sein Publikum dürfte "Marie Antoinette" trotz der inhaltlichen Schwächen zahlreich finden.

• Marie Antoinette Vorstellungen vom 1. Februar bis 31. Mai, jew. Di bis Fr, 20 Uhr, Sa 15 und 20 Uhr, So 18 Uhr, Musical Theater Bremen, Karten unter T. 0421/36 36 36.