Was einen bei ClickClickdecker immer wieder sofort packt, ist die Stimme. Kevin Hamann, Sänger, Gitarrist und Mastermind von ClickClickDecker, singt erschöpft, wütend, jammernd, angekratzt. Allein in Hinblick auf sein Organ passt also der Titel seines dritten Longplayers: "Den Umständen Entsprechend". Aber dieses Motto denkt natürlich auch die Arbeitsbedingungen des Musikers mit, der weitermacht, der ein Trotzdem formuliert, die Hürden fest im Blick, die Müdigkeit in den Gliedern.

Gewohnt poetisch und assoziationsstark, mitunter etwas arg kryptisch, verortet sich der gebürtige Berliner und Wahlhamburger in den zwölf neuen Stücken im urbanen Gefilde "zwischen Beton und Atemholen". Er bewegt sich in der Fülle der Zeichen, zwischen all jenen, die sich "angestrengt in Szene setzen" ("Wenn Ethna wieder spuckt"). "Leider nicht das erste Mal im Schilderwald verlaufen", stellt ClickClickDecker fest in "Weil sie uns Siezen" und imaginiert doch immer wieder die Chance auf ein gutes, wildes Leben, auf ein "Leuchten in Polycolor".

Getragene Gitarrenmelodien mit elektronischen Einsprengseln, mit verschlepptem Knarzen und Klatschen, liefern das solide Gewand für Hamanns Versarbeit. Mitunter sorgen Bläser für molliges Unterfutter. Wohl gesetzte Brüche werden ausgekleidet mit Geräuschen und Verzerrungen, die zunächst Beklemmung auslösen, deren harmonische Auflösung aber dann umso befreiender erscheint. Am Intensivsten wirken die Songs, wenn die Gitarre ganz nah klingt, als sehe man jede Saite vorm geistigen Auge schwingen.

Hamann ist zwar der Motor von ClickClickDecker, doch ganz alleine ist er nicht unterwegs. Vielmehr ist er bestes Beispiel dafür, wie vernetzt Hamburgs Musiker agieren. Erste Aufnahmen im heimischen Schlafzimmer überzeugten nicht, weshalb Hamann sich mit seinen Kollegen Tobias Bade und Oliver Stangl in das Altonaer Studio Barner 16 einnistete und das Material neu produzierte. Für das im Feldstraßen-Bunker beheimateten Internetradio ByteFM moderiert er die Sendung "Herz statt Kommerz", tobt sich zudem in dem Elektro-Rock-Projekt Bratze aus. Deren Werke erscheinen beim Hamburger Audiolith-Label, dessen Betreiber Lars Lewerenz bei ClickClickDecker am Bass steht. Schlagzeug in der Band spielt Simon Rass, der für Grand Hotel Van Cleef arbeitet. Die Plattenfirma vertritt mit Kettcar und Tomte zwei Größen der Hamburger Szene. Und auch beim Proben ist ClickClickDecker nicht in der schlechtesten Gesellschaft: Unter dem Übungsraum wirkt Jochen Distelmeyer, quasi Gottvater des Hanse-Pop, an seiner Solokarriere.

Trotz oder vielleicht gerade wegen - all dieser Referenzen bleibt Hamann reflektiert. In "Einbahnstraße" etwa scheint ClickClickDecker potentielle Kritik an seinem Projekt direkt mal vorwegnehmen zu wollen: "Zu verkopft, zu ambitioniert/es fehlt der Biss, der etwas polarisiert". In Teilen hat er damit durchaus recht. Doch so lange uns Hamann Wahrheiten schenkt, die sowohl auf ein T-Shirt als auch auf ein Kalenderblatt oder unters Kopfkissen passen, ist alles gut: "Weggehen bedeutet nicht unbedingt/irgendwo anders dann anzukommen".

ClickClickDecker: Den Umständen Entsprechend (Audiolith Records/Broken Silence)

Konzert: 5. April, Molotow, Vorband: 1Limited.