Von Seniorenleben keine Spur: Nach seinen Bands The Beatles und Wings tourt der Musiker seit Jahrzehnten erfolgreich solo um die Welt.

Frankfurt/Main. Wenn Sir Paul McCartney zur „Magical Mystery Tour“ einlädt, sind die Arenen und Stadien voll, schwelgen die Fans ob in Uruguay oder Berlin in purem Beatles-Feeling, wie nur er es noch auf die Bühne bringen kann. Am 30. Juni feiert er die Fab Four, seine frühere Gruppe Wings und sich selbst im dänischen Horsens unter dem Motto „On The Run“. Davor wird er am 18. Juni gerade mal zarte 70 Jahre jung: vom idyllischen Seniorenleben, wie er es 1967 in „When I'm 64“ besang, keine Spur.

Allein schon als Mitglied der Beatles ist McCartney einer der im Pop-Olymp am höchsten residierenden Musiker unserer Zeit. Mit John Lennon schrieb er legendäre Songs am Fließband, zusammen mit George Harrison und Ringo Starr revolutionierte er in den 60er-Jahren die Popmusik. Das Ende der Beatles 1970 erschütterte das Lebensgefühl der damaligen Generation bis ins Mark. Aber Lennon, McCartney, Harrison und Starr machten weiter, setzten in ihren Solokarrieren in den 70ern noch viele musikalische Meilensteine.

+++ Mitarbeiter der Beatlemania appellieren an Paul McCartney +++

McCartney gründete 1971 die Band Wings, die bis 1981 erfolgreiche Alben wie „Band On The Run“ veröffentlichte. Seit deren Auflösung veröffentlicht McCartney seine Musik unter seinem Namen – zuletzt dieses Jahr die Hommage an die Jazz-Standards, die sein Vater bei Familienfesten auf dem Klavier zu spielen pflegte, „Kisses On The Bottom“. Als großes Alterswerk mit eigenen Kompositionen gilt das vor fünf Jahren erschienene „Memory Almost Full“.

Doch der einzigartige Zauber seiner Musik liegt weiterhin in den Beatles-Songs. Neuveröffentlichungen aus dem Beatles-Katalog wie der Anfang Juni in einer liebevoll restaurierten Version vorgelegte Film „Yellow Submarine“ erinnern immer wieder an die innovative Kraft der Jungs aus Liverpool, die auch nach einem halben Jahrhundert ihre Wirkung nicht verloren hat. McCartney kann sie immer noch auf der Bühne entfalten, vorzugsweise mit den von ihm geschriebenen Songs. Schlagzeuger Starr kann da nicht mithalten, Lennon wurde 1980 ermordet, Harrison starb 2001 an Krebs. McCartney ist im 21. Jahrhundert der letzte Beatle, der Beatles-Songs authentisch auf die Bühne bringen kann. Und das macht ihn zu einem der erfolgreichsten Live-Musiker der vergangenen Jahre.

Bei „Memory Almost Full“ legte McCartney die früher oftmals zu spürende Distanz zu seinem Beatles-Vermächtnis ab und spielte mit dem Fundus an Ideenreichtum. Den Kritikern gefiel das 2008 als „Fireman“ vorgelegte „Electric Arguments“ noch besser – aber ohne dem Namen Paul McCartney auf dem Cover blieb eines der innovativsten Alben des Ex-Beatles ein Geheimtipp.

Als eine der Popikonen unserer Zeit führt McCartney ein VIP-Leben unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen. Unter dem Eindruck der Ermordung Lennons dürften diese noch verstärkt worden sein. Dennoch ist der 1997 von Königin Elizabeth II. zum Ritter geschlagene Sir Paul eigentlich immer der freundliche und lustige Junge aus einer kleinbürgerlichen Liverpooler Familie geblieben.

Sentimentalität „eine wundervolle Gabe“

„Wenn ich mich mit John über seine Kindheit unterhielt, stellte ich fest, dass meine so viel mehr Liebe hatte“, zitiert der Rundfunkjournalist Harald Martin in seinem Buch „Paul McCartney“ den Ex-Beatle. „Ich glaube, deswegen bin ich so ein offener Mensch, vor allem in Bezug auf Sentimentalität. Es macht mir nichts aus, gefühlvoll zu sein. Ich kenne viele Leute, die das für uncool halten. Ich betrachte das als eine wundervolle Gabe.“

Und so verwundert es nicht, dass McCartney für viele Schmuse-Hits verantwortlich zeichnete: „Yesterday“, mit der erfolgreichste Popsong überhaupt, „Hey Jude“ und „Let It Be“, der Titelsong des letzten Beatles-Albums aus dem Jahre 1970 – um mal drei zu nennen.

Auch danach fielen ihm noch etliche Hits ein. Aber bis 1973, dem Wings-Album „Band On The Run“, stand er sichtlich unter dem Schock der Beatles-Auflösung. Er nahm Rauschgift, wirkte kreativ gelähmt, pflegte das Familienleben mit seiner ersten Frau Linda und den Töchtern Mary (geboren 1970) und Stella (geboren 1971). Linda hatte 1969 Tochter Heather (geboren 1962) mit in die Ehe gebracht; Sohn James wurde 1977 geboren.

1977 veröffentlichte er eine der erfolgreichsten Singles der britischen Pop-Geschichte: „Mull of Kintyre“ wurde im Königreich 2,5 Millionen Mal verkauft und traf wie wenige andere das britische Lebensgefühl auf den Punkt. Mit Linda engagierte er sich für den Tierschutz und ernährt sich seit den 70ern vegetarisch.

McCartneys Mutter Mary starb 1956 an Brustkrebs. Derselben Krankheit erlag Linda 1998. Ein Jahr später lernte der Musiker die Anti-Landminen-Aktivistin Heather Mills kennen. Er heiratete sie kurz vor seinem 60. Geburtstag; aus der Verbindung ging 2003 eine Tochter, Beatrice, hervor. 2008 wurde die Ehe geschieden. Im Oktober vergangenen Jahres heiratete er die 18 Jahre jüngere Geschäftsfrau Nancy Shevell.

2009 wurde McCartney auf einer Pressekonferenz vor einer Tournee gefragt, ob er sich darauf mit einem speziellen Fitnessprogramm vorbereite. „Die Musik hält mich fit“, erklärte er. „Und das Schöne ist, du merkst gar nicht, wie die Zeit vergeht. Du spielst drei, vier Lieder und fühlst dich gut.“ McCartney 70? Kaum zu glauben.