Grauenhaft witzig und mit slapstickartigem Höhepunkt: Das Fünf-Personen-Stück erhielt bei der Premiere in Hamburg viel Applaus vom Publikum.

Hamburg. Eine unüberwindbar hohe, dunkle Wand mit rechteckiger Öffnung in der Mitte erinnert an einen riesigen Ofen mit Luke. Davor liegt eine Reihe hingeworfener Schuhe im Schnee. Im schwarzen Mantel mit Hut plus blutrotem Lippenstift spaziert eine schicke junge „Frau Tod“ (Anna Franziska Srna) in Wartestellung. Düster, karg und stumm beredt ist der Rahmen, in dem Torsten Fischer die groteske, tiefgründige Geschichte von der Verwandlung des jungen Menschen Hitler in ein mörderisches Monster verortet.

Für seine dann auf Sprachwitz und Spielfreude konzentrierte Inszenierung von George Taboris berühmter Farce „Mein Kampf“ haben Fischer und die fünf Darsteller am Donnerstagabend im Hamburger Ernst-Deutsch-Theater viel Beifall vom Premierenpublikum erhalten. Vor allem Tonio Arango als Hitler fasziniert. Er verkörpert – im Jahr 1907 in einem Wiener Männerheim (Ausstattung von Vasilis Triantafillopoulos) – einen unbedarften jungen Mann und frustrierten Grafiker aus Braunau am Inn. Den hat seine Mutter nicht richtig erzogen. Als sein Mentor tritt der humanistische Buchhändler und Jude Schlomo Herzl (Peter Kremer) auf den Plan – der verhilft ihm zu neuer Frisur und baut ihn zum Politiker auf.

Hitlers "Mein Kampf" darf nicht gedruckt werden

Blitzschnell und virtuos schwankt Arango in dreckiger Unterwäsche als Diktator und Holocaust-Urheber in spe zwischen Schüchternheit und Aggressivität, Unbedarftheit, Angst und rassistischen Ausfällen („Die Juden und die Radfahrer sind an allem schuld“) – dabei stets innere Leere überspielend. Den klugen, die Bibel ernstnehmenden Herzl, der allerdings sehr dazulernen wird, stattet Kremer ruhig und stimmig mit viel Güte und Menschenliebe aus, bleibt aber blass.

Die größten Stärken der knapp zweieinhalbstündigen Aufführung liegen im grauenhaft witzigen ersten Teil – der zweite gerät deutlich moralischer. Für einen slapstickartigen Höhepunkt sorgt hier der gelb gescheitelte Heinrich Himmlischst (Benno Lehmann): Laut dozierend tötet, zerlegt und brät der Vorzeige-Germane ein Huhn, während den Zuschauern der Brandgeruch in die Nase steigt – „Ich habe nur meine Pflicht getan“, klingt es ihnen aus Himmlischsts Mund in die Ohren.

Das weltweite Stück über Liebe und Tod des in Ungarn geborenen Juden Tabori (1914-2007) war 1987 am Akademie Theater Wien uraufgeführt worden. Der Drehbuchautor, Schriftsteller und Theatermann hatte im Jahr 1933 Deutschland verlassen. Seit den 80er Jahren feierte Tabori als hochrangiger selbsternannter „Spielmacher“ vor allem in Wien und Berlin große Erfolge. Sein Vater und weitere Verwandte waren in Auschwitz umgebracht worden. (dpa)