Der romantische Songschreiber Philipp Poisel und Band verwandelten die Sporthalle in eine Mischung aus Wanderzirkus und Schulaula.
Hamburg. Nein, ein ganz normales Konzert ist nicht das, was sich Philipp Poisel unter einem gelungenen Abend vorstellt. Das zeigte sich schon bei seinem Auftritt im September 2011 auf der Stadtparkbühne, als der Ludwigsburger Songschreiber nicht nur selber zwei Stunden spielte, sondern auch noch Jojo Cumbana, Boy , Andreas Bourani und der Alin Coen Band viel Raum zur Entfaltung bot.
Nun ist Poisel mit dem "Projekt Seerosenteich. Eine Konzertreise 2012" unterwegs: Eine Mischung aus Konzert und Varieté in ausgesuchten Sälen mit besonderem Ambiente. Tatsächlich ist die Idee so ambitioniert, das die Hamburger Laeiszhalle mit der Produktion nicht mithalten kann. So müssen die bereits ausverkauften Hamburger Termine am Dienstag und Mittwoch vom mondänen Bau am Johannes-Brahms-Platz in die Alsterdorfer Sporthalle verlegt (und Tickets mühsam umgetauscht) werden - neben dem CCH die wohl am wenigsten "besondere" Örtlichkeit der Stadt. Tennissocken- und Medizinball-Geruch statt Seerosenteich.
"Wie soll ein Mensch das ertragen?", die Frage aus dem gleichnamigen Song vom zweiten Album "Bis nach Toulouse" beantworten Poisel und sein Team, indem sie am Dienstag das Beste aus der Sportbutze machen. Die Wände und Teile der Ränge sind abgehängt, der Saal bestuhlt für 1600 Gäste.
+++ Philipp Poisel - Ein Wuschelkopf ohne Star-Allüren +++
Die Sporthalle hat so etwas von einer Teddybärenhöhle, als Poisel und ein Streichquartett mit "Schweigen ist Silber" und "Für keine Kohle dieser Welt" einsteigen. Während ein Theremin an 50er-Jahre-Horrorfilme erinnert, werden handgesägte und mundgebissene Segelschiffe, Tannenbäume und andere Theater-AG-Kulissen verschoben - alles hier ist handgemacht, Songs und Bühnenbild. Das ist so merkwürdig wie Poisel selbst: Er singt gut und hat klasse Songs. Bei den Ansagen aber klingt er immer noch schüchtern. Und atemlos wie nach einer Medizinball-Einheit mit Felix Magath.
Auch "Ulf und Chris" keuchen, wenn Laternen, Holzwellen und Mondraketen auf die Bühne gewuchtet werden müssen. Die Band jazzt, ein Jongleur kreiselt Bälle. Wanderzirkus in der Schulaula.
Das wirkt mal niedlich, mal stimmig, kindlich unbeholfen oder kitschig. Aber bei aller sichtbaren Mühe beim Schreinern und Schweißen und bei aller hörbaren Güte von Songs wie "Halt mich", "Eiserner Steg" oder "Zünde alle Feuer" (toll): Mit jeder der 160 Minuten wächst die Sehnsucht, "Hab keine Angst" (schönes Duett mit Alin Coen ), "Mit jedem deiner Fehler" und "Als gäb's kein Morgen mehr" doch lieber im Stadtpark zu hören. An einem milden Abend wie am Dienstag. Ganz in der Nähe von Seerosenteichen, wo sich der Himmel langsam dreht.