München. Edgar Selge, Matthias Brandt und zuletzt Verena Altenberger: Sie alle waren schon „Polizeiruf“-Kommissare. Nun feiert Johanna Wokalek ihren Einstand. Und sie macht ihre Sache sehr gut.

Es geht um Gendersprache, Polizeigewalt, Rassismus, Vorurteile und Privilegien: Der neue „Polizeiruf 110“ aus München widmet sich kontroversen Themen. Ein Mitarbeiter des Instituts für Postcolonial Studies wird tot aufgefunden, mit dem Wort „Rapist“ (Vergewaltiger) auf dem Rücken. Schwierige Ermittlungen, auch weil die Polizisten mit Schweigen und Feindseligkeiten konfrontiert werden.

Im Krimi „Little Boxes“ feiert Johanna Wokalek am Sonntag (17.9.) um 20.15 Uhr ihren Einstand als Kommissarin - mit Stephan Zinner („Rehragout-Rendezvous“) und Bless Amada („Kitz“) an der Seite. Ein fulminanter Start, der neugierig auf weitere Fälle des Teams vom Bayerischen Rundfunk (BR) macht.

Das Besondere und Wohltuende an der neuen Ermittlerin Cris Blohm ist ihre Unaufgeregtheit. Keine Hinweise auf ein kompliziertes Privatleben, schlimme seelische Verletzungen oder schräge Macken, wie sie Krimi-Ermittler im Roman wie im Film gerne pflegen.

Blohm ist zurückhaltend und beobachtend und will einen guten Job machen, hochkonzentriert und hartnäckig. Hinzu kommt ihr trockener Humor, den sie auch nötig hat. Denn Dennis Eden (Zinner) kann es nur schwer verkraften, dass ihm eine Frau vor die Nase gesetzt wird und lässt sie das spüren. Und der eigentlich feinsinnige Otto Ikwuakwu (Amada) hält seine neue Kollegin bewusst auf Abstand.

Die Sicht auf Frauen

Gleich zu Beginn macht der Film unter Regie von Dror Zahavi klar, dass es Frauen trotz vieler Verbesserungen bei der Polizei nicht leicht haben. „Schönheit und Intelligenz, das ist für viele eine Provokation“, rät der Pressesprecher der neuen Kommissarin.

Und die Vizepräsidentin Beatrix Grandl geht noch weiter: „Ehrgeiz ist nicht unbedingt eine attraktive Eigenschaft für eine Frau.“ Ein Rat, den Blohm fassungslos zur Kenntnis nimmt, den sie aber sicher nicht befolgen wird.

Das krasse Gegenteil erwartet Blohm, Eden und Ikwuakwu an der Universität. Der Lehrstuhl Postcolonial Studies ist fest in Frauenhand. Es herrscht eine aggressive Grundstimmung, gegenüber Männern und gegenüber der Polizei. Ein Minenfeld für Blohm und ihre beiden Kollegen, auch weil jedes ihrer Worte von Studierenden und Mitarbeitenden des Instituts genau abgewogen wird. Eine mögliche Falle für Klischees, die der Film aber weitgehend vermeidet.

Es bereitet großes Vergnügen zu sehen, wie sich Wokalek („Die Päpstin“), Zinner und Amada auf diesem schwierigen Terrain bewegen: Blohm vorsichtig und hochaufmerksam, Eden gewohnt forsch und Amada nachdenklich und analytisch. Trotz aller Kompliziertheit des Falles gelingt es Regisseur Zahavi, dennoch immer wieder leichte Momente in seinen Film einzustreuen. Etwa, wenn sich die Anspannung in einer Tanzszene entlädt. Ein entrückter Moment, der mehr über Blohm und ihre Kollegen und ihr Verhältnis zueinander aussagt als viele Worte.