FDP-Politikerin Anna von Treuenfels-Frowein: Rot-Grün darf die Ideologie nicht über die Daseinsvorsorge stellen.
Es ist ein unguter Trend, der sich in Hamburg in letzter Zeit breitmacht: Vernachlässigung greift in unserer einst so stolzen Hansestadt um sich. Das Tor zur Welt nimmt Schaden. Und das gleich in mehrfacher Hinsicht.
Gute parlamentarische Umgangsformen in der Bürgerschaft werden etwa immer häufiger vernachlässigt: Anfragen werden ausweichend beantwortet, Gutachten werden zurückgehalten, wichtige Informationen erfahren wir Parlamentarier über die Presse und nicht in den Ausschüssen. Der Ton wirkt immer gereizter: Rot-Grün reagiert mit einer Mischung aus beleidigter Attitüde und moralischer Überheblichkeit, wenn die wachsenden und offensichtlichen Probleme Hamburgs deutlich adressiert werden.
Lange wurde so die für jedermann sichtbare Verwahrlosung um unseren Hauptbahnhof schlichtweg geleugnet. Wer mehr Polizeipräsenz fordert, nicht nur zur Einhegung der offenen Drogenszene, sondern etwa auch zur Überwachung der steigenden Zahl politischer und religiöser Extremisten oder Zurückdrängung der rasant gewachsenen Straßenkriminalität in Hamburg, der wurde und wird teilweise immer noch reflexartig in die rechte Ecke gestellt – ein so billiges wie überflüssiges Totschlagargument. So was zahlt nur auf das Konto der Rechtsextremen ein, löst aber kein einziges Problem, im Gegenteil: Die Politikverdrossenheit wächst.
Die City leidet unter ideologischer Verkehrspolitik
Und die Vernachlässigung betrifft eben nicht nur den öffentlichen Raum mit steigender Kriminalität, verkommenem Stadtgrün oder per Sperrholzmöblierung ruinierten einstigen Prachtmeilen wie dem Jungfernstieg: Sie trifft auch immer stärker die Grundlage unseres Hamburger Wohlstandes, die Wirtschaft. Die City leidet schwer unter der ideologischen Verkehrspolitik von Rot-Grün, Geschäftspleiten und Leerstand sind die Folge, längst auch in vielen Stadtteilzentren. Stadtverödung ist das traurige Ergebnis, dem Rot-Grün trotz teurer, steuerfinanzierter Sonderbeauftragter und Beiräte nichts entgegenzusetzen hat.
Noch stärker trifft es den Hafen: Das Herz der Hamburger Wirtschaft verliert seit Jahren im Kampf um die Tonnage gegenüber Rotterdam und Antwerpen. Statt beherzt die Westerweiterung voranzutreiben, streitet Rot-Grün mit den staatlichen oder halbstaatlichen Container-Terminalbetreibern ewig über die Kosten.
Statt mit Nachdruck die Erneuerung der Köhlbrandquerung voranzutreiben, hat sich die völlig überteuerte bisherige Tunnel-Anplanung als haltloser Flop erwiesen. Zu allem Überfluss ist sich der Senat zunehmend uneinig, was zu tun ist – selbst wenn die Wirtschaftssenatorin vorgibt, der Neubau sei entschieden. Auch von der A26-Ost, vormals Hafenquerspange, wird viel geredet, aber immer noch ist kein Kilometer gebaut.
Die Liste ließe sich fortsetzen: Von überfüllten Schulen mit zu wenig Lehrkräften für immer mehr Kinder ohne gute Deutschkenntnisse über nicht fertiggestellte Universitätsgebäude, deren Kosten explodieren, bis zum millionenteuren, leeren Fahrradparkhaus in Eppendorf – und genau dieser Bau symbolisiert den Schlüssel für die Malaise: Die Grünen und ihre Vorfeldorganisationen vernachlässigen unter dem Vorwand des klimagerechten Gesellschaftsumbaus die zwingend nötige Daseinsvorsorge, die Pflege der echten „Essentials“ in Hamburg. Und die SPD schaut zu, wenn auch, das sei zugestanden, zunehmend besorgt.
Die gewählte Politik hat die Pflicht, diesen Trend zu stoppen
Das muss aufhören. Die gewählte Politik hat die Pflicht und Schuldigkeit, diesen Trend zu stoppen. Der Verkehr auf Straßen und im Hafen muss ungehinderter fließen, Wohnungsbau nicht erschwert, sondern angekurbelt werden, besser ausgestattete und mehr gute Schulen können stärker integrierend wirken, die innere Sicherheit muss in den Fokus der Politik. Und die sollte wirklich die ganze Stadt in den Blick nehmen, damit das Tor zur Welt auch in Zukunft zu Recht diesen Ehrentitel tragen darf.