Berlin/Paris. Hassgewalt gegen Personen, die etwa als Trans-Menschen erkennbar sind oder sich als lesbisch oder schwul zu erkennen geben, nimmt zu. Die Doku „Hass gegen Queer“ lässt Opfer erzählen und analysieren.

In Münster wird beim Christopher Street Day ein Trans-Mann tödlich attackiert, Italien hat eine Regierungschefin, die gegen die sogenannte LGBT-Lobby hetzt, in Polen rufen Hooligans Gay-Pride-Teilnehmern entgegen: „Wir sind normal, ihr seid abartig!“ Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Bezug auf Lesben, Schwule, Trans-Menschen - welche Abgründe gibt es da, welche gesellschaftliche Grundstimmung nährt diese Gewalt? Diesen Fragen geht die Doku „Hass gegen Queer“ von Tristan Ferland Milewski in der ARD-Mediathek nach. Darin kommen viele verschiedene Betroffene von Gewalt zu Wort. Der 80-minütige Film kommt nun auch im Fernsehen (19.7. im Ersten).

Das deutsch-französische Paar Charlotte und Linda erzählt zum Beispiel, wie es in einem Bus vor den Augen seiner kleinen Tochter verprügelt wurde. Niemand habe die Polizei gerufen, keiner habe dann Zeuge sein wollen. Aus Scham erzählten die beiden Frauen niemandem davon. „Ich wollte nicht mit Fragen konfrontiert werden“, sagt Linda.

Doch dann habe sich die Scham in Wut verwandelt. „Ich bin auf mich selbst wütend, weil ich diese Scham empfinde.“ Als die vierjährige Tochter immer wieder Fragen gestellt habe, sei es unmöglich geworden, den Vorfall unter den Teppich zu kehren: „So haben wir es ihr erklärt, dass es Leute auf der Welt gibt, die uns nicht mögen, obwohl sie uns nicht kennen - nur weil wir homosexuell sind.“

Arnaud wurde nach einem Theaterbesuch mit seinem Freund mitten in Paris von sechs Jugendlichen zusammengeschlagen und schwer verletzt. Er habe leider immer geahnt, dass ihm sowas eines Tages passieren werde, sagt er betrübt.

Verrohung nimmt zu

Die Berliner Dragqueen Barbie Breakout sieht in den letzten Jahren weltweit eine Verrohung, verstärkt von „Feuerzündlern“ wie Ex-US-Präsident Donald Trump. Plötzlich werden Themen wieder diskutiert, „von denen jahrelang gesellschaftlicher Konsens war, dass sowas öffentlich nicht gesagt wird“.

Trans-Frau Inès sagt: „Alles ist sehr extrem und polarisiert. Wir leben in einer Welt, die andererseits noch nie so progressiv war, aber ich glaube, dass das viele Leute dazu bringt, Dinge wieder zurückholen zu wollen, die unsere Gesellschaft langsam zerstören.“ Mit Blick auf reaktionäre Politik betont Inès, alle Formen des Hasses seien miteinander verbunden. „Man will die Körper von Trans-Menschen, von Frauen kontrollieren. Rassismus ist auch mit Körpern verbunden, die nicht in die sogenannte weiße Gesellschaft passen.“

Der Grünen-Aktivist Marcel Rohrlack, der 2015 auf dem Nachhauseweg vom Münchner Christopher Street Day von einer Gruppe Männer attackiert wurde, sagt, damals sei die Polizei freundlich, aber eben auch ein bisschen unbedarft vorgegangen. „Und das ist ein sehr sehr entscheidender Unterschied, ob man als Opfer von Hasskriminalität behandelt wird oder als Beteiligter einer Schlägerei.“

Vernetzter Hass

Marcel betont, Social Media führten dazu, dass der Hass heutzutage vernetzter, organisierter stattfinden könne. „Und natürlich verändert sich Hass, der kommt dann subtiler, über Familienschutz oder was weiß ich, dass man Kinder vor Aufklärung schützen müsse.“ Was auch immer früher an Stammtischen geredet worden sei, es habe eben kein Twitter gegeben und es konnten nicht gleich Hunderttausende mitlesen.

„Das Schlimme ist ja, dass Menschen sich zu diesem Hass verleiten lassen“, sagt die Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer (Grüne), die von der AfD immer wieder als biologischer Mann bezeichnet wird. Sie findet Begriffe wie Homophobie oder Transphobie unpassend. „Das ist ja keine Angststörung.“ Dahinter stecke „eine menschenverachtende Ideologie und deswegen finde ich es wesentlich präziser formuliert, wenn wir von Queerfeindlichkeit, von Transfeindlichkeit sprechen“.

Der Kampf gegen das Gefühl des Alleingelassenseins kommt in der Doku auch vor, etwa wenn Ria und Leo von der Berliner Ballroom Community berichten. Beim Voguing, einem Tanzstil, der in den 70er Jahren in New Yorks schwarzer Subkultur entstand, bilden queere BIPoC, die oft mehrfacher Diskriminierung ausgesetzt sind, eine Gemeinschaft, eine Art Zuhause. BIPoC steht für Black Indigenous People of Color - das meint alle Menschen, die Formen von Rassismus ausgesetzt sind.