Klagenfurt. Der Bachmannpreis ist nichts für schwache Nerven. Es gilt, Texte im TV vor einer Jury zu präsentieren. Zwei Teilnehmerinnen erzählen vor dem Wettbewerb von ihren Gefühlen und Strategien.
Eine Casting-Show für Literaturfans: So beschreibt Jacinta Nandi das prestigeträchtige Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis, an dem sie zusammen mit elf weiteren Autorinnen und Autoren im österreichischen Klagenfurt teilnimmt. „Ich hatte immer ein bisschen Schiss vor dem Bachmann-Preis, denn so viele deutsche Intellektuelle reden darüber, als ob das so etwas wie "Germany's Next Topmodel" ist: "Germany's Next Topautorin"“, sagt die aus London stammende und in Berlin lebende Bloggerin und Autorin.
Bis Samstag werden die Kandidatinnen und Kandidaten an drei Tagen ihre bislang unveröffentlichten Texte vor Publikum in Klagenfurt, vor TV-Zuschauern (3sat überträgt) und vor einer Jury präsentieren, die für ihre harten Analysen bekannt ist. Am Sonntag winkt der mit 25 000 Euro dotierte Hauptpreis, der nach der österreichischen Literatin Ingeborg Bachmann (1926-1973) benannt ist. Außerdem werden vier weitere Auszeichnungen vergeben.
Autoren mit viel Erfahrung
Auch die Wiener Autorin und Psychologin Anna Felnhofer hat „riesigen Respekt“ vor der Veranstaltung, obwohl sie sich als erfolgreiche Wissenschaftlerin im Bereich der virtuellen Realität auch oft auf Fachkonferenzen dem Urteil von Kollegen stellt. „Das kann mitunter auch ziemlich schwierig werden, aber es sind selten Kameras dabei“, sagt sie. Außerdem sei das Schreiben etwas „zutiefst Intimes“, das nun in Klagenfurt exponiert werde.
Unter den Teilnehmenden bei den 47. Tagen der deutschsprachigen Literatur, wie das Wettlesen offiziell heißt, ist die Bandbreite an Erfahrung, Publikationen und Preisen groß. Da gibt es etwa den aus Bonn stammenden Andreas Stichmann, der schon 2012 an dem Wettbewerb teilnahm und der im Jahr zuvor mit „Eine Liebe in Pjöngjang“ auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis stand. Außerdem bewerben sich Alfred-Döblin-Preisträger Deniz Utlu („Gegen Morgen“) und der mehrfach ausgezeichnete österreichische Dramatiker Mario Wurmitzer. Nandi ist unter anderem für ihre schonungslos persönlichen Bücher wie „50 Ways to Leave Your Ehemann“ bekannt.
Kleine Vorstellungsvideos
Im Gegensatz dazu arbeitet die in Tübingen geborene Valeria Gordeev noch an ihrem ersten Roman, während die aus München stammende Sophie Klieeisen und die Zürcherin Laura Leupi bislang vor allem Essays veröffentlicht haben. Mit Yevgeniy Breyger und Martin Piekar stellen sich zwei Lyriker von ukrainischer und polnischer Abstammung dem Wettbewerb. Die Teilnehmenden präsentieren sich online für das Wettlesen in kurzen Videos - besonders selbstbewusst treten dabei etwa Anna Gien mit einem in rot getauchten Stummfilm auf, oder auch Jayrome C. Robinet, der sich poetisch als ein „Mitglied der Gesellschaft für die Wertschätzung der Wolken“ vorstellt.
Robert Prosser sagte kurz vor dem Wettbewerb aus persönlichen Gründen ebenso ab wie Helena Adler aus gesundheitlichen Gründen. Während nun zwei österreichische Namen im Teilnehmerfeld fehlen, finden sich zwei neue Gesichter in der Jury: Die deutsche Kulturwissenschaftlerin und Autorin Mithu Sanyal („Identitti“) und der Schweizer Literaturwissenschaftler Thomas Strässle.
Laut Felnhofer hilft etwa autogenes Training, um mit Kritik und Kameras umzugehen. „Ich kann als Psychologin natürlich immer gut Tipps geben, aber diese selber anzuwenden, ist eine andere Sache“, sagt sie. Nandi will der Jury hingegen mit ihren „Elternabend-Ohren“ begegnen: „Manchmal ist es besser, nicht so genau zuzuhören.“