Berlin. Mit neoliberalen Methoden versucht die britische Premierministerin Margaret Thatcher ab 1979, die am Boden liegende Wirtschaft wieder flott zu machen. Der Preis: viele Arbeitslose und Massenstreiks.
Als die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher im April 2013 mit 87 Jahren starb, war das im Vereinigten Königreich nicht für jeden ein Grund zur Trauer. „Es gibt spontane Freudenfeiern“, heißt es in der Doku „Die Thatcher-Jahre“, die Arte am Dienstag um 20.15 Uhr sendet. Gezeigt wird, wie Menschen damals eine Puppe mit dem Antlitz der Politikerin in einen Sarg legten, sie dann verbrannten und um das Feuer herumtanzten.
Kein Zweifel: Die „Eiserne Lady“ war in breiten Kreisen verhasst. Mit ihren Konzepten eines radikalen wirtschaftlichen Neoliberalismus hat sie die britische Gesellschaft von 1979 bis 1990 in drei von ihr geführten Tory-Regierungen wohl bis zum heutigen Tag erschüttert.
„Thatcherismus“ bedeutete massive Reduzierung staatlichen Einflusses und staatlicher Hilfe: Privatisierung von Großunternehmen - wie die Gründung von British Telecom - sowie von lokalen Versorgern etwa für Trinkwasser und Elektrizität. In großem Umfang wurde sozialer Wohnraum privatisiert. Die Folge: hohe Arbeitslosigkeit - und unter anderem der Streik der Bergarbeiter, der 1984/85 ein Jahr dauerte. Als hip galt dagegen bald die Gier von Bankern.
Dennoch wendet sich der französische Film (2022) von Guillaume Podrovnik gegen ein einseitiges Bild der studierten Chemikerin „Maggie“, der es im klassenbewussten Nachkriegs-Großbritannien gelungen war, als erste Frau - und Krämertochter aus der Provinz - in das höchste politische Amt aufzusteigen.
Ein zwiespältiges Bild
Historiker und Journalisten, Mitarbeiter und Aktivisten sowie politische Gegner wie Neil Kinnock, Ex-Chef der Labour Party, zeichnen ein differenzierteres, auch widersprüchliches Bild. Zudem wird der Hintergrund beleuchtet: Bereits nach dem Krieg hatte das Inselreich den Anschluss an die florierende Weltwirtschaft verpasst - in den 70er Jahren versank es in Armut.
„Man muss Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen“, lautete sodann das Credo von Thatcher. Sie hatte ihre Analysen an den Wirtschaftswissenschaftlern Friedrich August von Hayek (1899-1992) und Milton Friedman (1912-2006) geschult. Dabei verkaufte sie ihre Ideen gern als Ergebnisse eines gesunden hausfraulichen Menschenverstandes, den sie in ihrer Jugend im Lebensmittelgeschäft ihres Vaters erworben habe.
Modern oder „old fashioned“?
Podrovniks Doku stellt bei alledem heraus, dass die später zur Baroness Thatcher of Kesteven ernannte Dame ihre neoliberalen Überzeugungen nicht immer konsequent verfochten hat. Und dass sie nicht immer autoritär agierte, sondern oft opportunistisch auf politische und kulturelle Verhältnisse ihrer Zeit reagierte.
Dahinter steht nicht zuletzt die Frage, ob Thatcher und ihre Leute wirklich so „neo“ und modern waren, als sie die angeblich veralteten Ideen der Linken in den Orkus beförderten. Oder ob sie mit ihrer Rückkehr zum aus dem 19. Jahrhundert stammenden Liberalismus und einer rigiden viktorianischen Moral nicht vielmehr selbst zutiefst „old fashioned“ waren.