Lüneburg. Das Alba-Berlin-Projekt „Sport vernetzt“ startet in Lüneburg. Schule, Kita, Stadt und Verein kooperieren für mehr Chancengerechtigkeit.
Rote, blaue, weiße Bälle fliegen durch die Lüneburger Sporthalle, ihr Ziel sind schmale Holzkegel, ordentlich auf Turnkästen aufgereiht. Alle paar Sekunden fällt ein Kegel auf den Hallenboden. Ist ein Kasten abgeräumt, kommen sofort Kinder angerannt, stellen die Kegel wieder auf, laufen ein paar Meter zurück – und das Spiel beginnt von vorn. Andere Kinder zielen auf kleine Fußballtore, bunte Reifen oder einen Basketballkorb, der mitten im Raum steht. Das quirlige Durcheinander ist der Auftakt für ein neues Bewegungsangebot für Kita- und Grundschulkinder, das insbesondere den Kindern im Stadtteil Kaltenmoor zugute kommen soll.
„Sport vernetzt“ heißt die Initiative, die der Basketballverein Alba Berlin entwickelt hat und mit jeweils lokalen Akteuren auf verschiedene Städte Deutschlands ausweitet. Ziel ist es, Kinder in Bewegung zu bringen und auf diese Weise nachhaltig ihre Bildungschancen zu verbessern. Dafür sollen Schulen, Kitas, Sportvereine und Kommunen eng zusammenarbeiten. In Lüneburg beteiligen sich bisher die Anne-Frank-Grundschule, die Kita Kaltenmoor, die Leuphana Universität, die Stadt und der Volleyballverein SVG Lüneburg.
In sozial benachteiligten Stadtteilen sind Kinder seltener im Verein aktiv
„Es geht um Chancengleichheit“, sagte Henning Harnisch, Vizepräsident von Alba Berlin, beim Auftakt am Freitag. „Die Idee ist, Kinder für Sport zu begeistern und zwar in Stadtgebieten, in denen sie nicht so privilegiert aufwachsen.“ Denn dort seien Kinder seltener in Sportvereinen aktiv. Eine Schlüsselrolle komme der Ganztagsschule zu, und damit der Frage, wie Schulen und Vereine sich besser vernetzen können, um die Betreuung und Bildung am Nachmittag sinnvoll aufzustellen. Ab 2026 gilt ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen.
In Lüneburg hat die Sportwissenschaftlerin Jessica Süßenbach, Professorin an der Leuphana Universität, das Projekt initiiert. Kaltenmoor gilt als der Teil der Stadt, der Süßenbach zufolge am meisten Unterstützung gebrauchen kann. Hier ist die soziale Benachteiligung der Bewohner statistisch nachweisbar, zum Beispiel durch einen hohen Anteil an armen Familien, Alleinerziehenden und Familien mit vielen Kindern. Ihre Studierenden haben die Ausgangssituation untersucht und werden das sogenannte Sozialraumprojekt weiterhin begleiten. So sollen die Erkenntnisse aus der Uniforschung in den praktischen Alltag der Kinder gelangen.
Kinder, an denen sich Zuständigkeiten ändern
Besonders im Blick haben die Kooperationspartner die Momente im Leben der Kinder, an denen sich Zuständigkeiten ändern. Der Übergang von der Kita zur Schule, aber auch die bisher häufig strenge Trennung von Unterricht am Vormittag und Betreuung am Nachmittag, sind solche typischen Bruchstellen. Eine Lehrerstunde am Nachmittag einzusetzen, ist vor diesem Hintergrund bereits ein verhältnismäßig großer Schritt. Es sei wichtig, dass sich alle Beteiligten kennen und austauschen, meinte Henning Harnisch. „Eine Lösung kann schon sein, dass, wie hier, Vorschulkinder und Erstklässler beim Sport zusammenkommen.“
Die Gruppe umfasst 20 Kinder aus der Anne-Frank-Grundschule und der Kita Kaltenmoor. Sie verbringen von jetzt an jeden Montagmittag gemeinsam anderthalb Stunden in der Sporthalle, abwechselnd begleitet von zwei Lehrkräften der Schule und einer Kita-Erzieherin. Die Kinder sollen in dieser Sport-AG keine bestimmte Sportart erlernen, sondern vielmehr Spaß an der Bewegung entwickeln. Neben den gesundheitlichen Vorteilen durch das zusätzliche Bewegungsangebot sollen mit Hilfe des Projekts die sozialen Chancen der Kinder verbessert werden. „Kinder lieben Bewegung, Spiel und Sport“, sagt Süßenbach. „Das ist ein gutes Einfallstor, um sie frühzeitig zum Lernen zu motivieren.“
Um das Projekt weiter auszubauen, muss die Finanzierung geklärt werden
Das wöchentliche Sportangebot soll nur der Anfang für eine umfassendere Kooperation von Lüneburger Akteuren im Sportbereich sein. So sollen perspektivisch weitere Schulen, Kitas und Vereine eingebunden werden.„Heute war ein toller Anfang“, sagte Grundschullehrer Joachim Schmirander, der die Gruppe mitbetreuen wird. „Jetzt bin ich gespannt, was noch alles, auf den Weg gebracht werden kann.“
Bei allem Engagement ist zudem die Frage der Finanzierung für weitere Angebote noch ungeklärt. Bisher bringen die Projektpartner jeweils Arbeitsstunden ein. „Natürlich braucht man auch Geld“, sagte Henning Harnisch. „Aber bisher haben wir eigentlich an jedem Standort eine Lösung gefunden, sodass zum Beispiel Studierende oder Vereinstrainer Trainingsstunden übernehmen können.“
Er betonte, man wolle eine echte Sportstadt fördern. „Lüneburg soll ein starker Leuchtturmort für das Projekt werden.“ Um ein starkes Netzwerk aufzubauen, sei ein klares Bekenntnis der Stadt essenziell, sagte auch Jessica Süßenbach. Vonseiten der Hansestadt Lüneburg gab es zum Auftakt zwar keine Geldzusage, Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch hat jedoch die Schirmherrschaft übernommen. Und Florian Forster, Dezernent für Bildung, Jugend, Soziales und Kultur, sagte: „Sportförderung fängt an der Basis an und besonders wichtig für den Erfolg ist Kontinuität.“ Die moderne Sporthalle in Kaltenmoor sei der ideale Ort, um weitere Bewegungsangebote zu schaffen. „Genau hier müssen wir ansetzen.“