Hamburg. Götz Wiese ist Mitglied der CDU-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft und schreibt über den Wirtschaftsstandort Hamburg.

Auf der Website eines weltweit erfolgreichen Forschungsinstituts las ich neulich den Satz „Wir fordern uns ständig selbst heraus, um auch morgen Marktführer zu sein.“ Hier wird der Anspruch formuliert, mit erstklassigen Leistungen zu überzeugen. Es wird deutlich, dass eine Spitzenposition stets neu erarbeitet werden muss.

Von diesem Anspruch und von diesem Selbstverständnis ist die Hamburger Stadtpolitik der letzten Jahre meilenweit entfernt. Die Leistungsfähigkeit der Stadt nimmt ab. Dafür gibt es augenfällige Symptome: Der Hauptbahnhof verdreckt. Die Innenstadt verkümmert. Der Verkehr funktioniert nicht mehr. Die Hochschulen sind unterfinanziert.

Unternehmen in Hamburg kämpfen nicht nur mit Strukturwandel

Die damit verbundenen Probleme sind grundlegend: Der Wirtschaftsstandort Hamburg fällt zurück. Die klassische Wirtschaft der letzten 50 Jahre, der wir einen beispiellosen Wohlstand verdanken, ist massiv unter Druck. Im Hafen, im Handel, in der Industrie, in den Medien und in vielen Bereichen des Mittelstands kämpfen Unternehmen nicht nur mit dem Strukturwandel, von Klimaschutz über Digitalisierung bis zum Fachkräftemangel. Betriebe und Beschäftigte kämpfen auch mit der Mentalität einer weit verbreiteten Selbstzufriedenheit unserer Landesregierung. Vieles ist schwerfällig: Genehmigungsverfahren dauern zu lange, die Wohnungsbauziele werden verfehlt; selbst das Projekt der Klimawende ist so mau, dass die städtische Klimabilanz aufgehübscht werden muss.

Beispiel 1: Wir alle wollen bezahlbaren Wohnraum. Aber statt auch private Initiative zu fördern, wird in Hamburg der Erwerb städtischer Grundstücke für Wohnzwecke verboten und die Grunderwerbsteuer erhöht. Die Stadt ist Kostentreiber. Privates Bauen wird weniger. Mieten wird teurer.

Beispiel 2: Wir alle wollen die Klimawende. Aber die Versorgungssicherheit wird torpediert, und die Kosten steigen, wenn konventionelle Energie abgeschaltet wird, ehe die erneuerbaren Energien grundlastfähig sind. Beispiel Kraftwerk Moorburg. So wird Energie zugleich teurer und weniger sicher.

Beispiel 3: Wir alle wollen gute Arbeitsplätze. Aber Hafen, Handel und Mittelstand, die Hamburgs Wohlstand begründet haben, stehen im rauen Wind. Der Senat streitet um die Zukunft des Hafens. Es gibt keine einzige Leitentscheidung der letzten zwölf Jahre, mit der die Stadt versucht hätte, die Neuausrichtung des Hafens anzupacken. Wir brauchen jetzt ein Jahrzehnt der Wirtschaft in Hamburg. Sonst fallen Standortentscheidungen privater Unternehmen gegen Hamburg aus.

Beispiel 4: Wir alle wollen die beste Bildung für alle. Denn Leistung setzt voraus, die Ausbildung der jungen Leute zu fördern und lebenslanges Lernen zu ermög­lichen. Hamburgs Hochschulen sind dagegen krass unterfinanziert. Es wird nicht einmal die Inflation ausgeglichen. Der Hamburg Konvent weist darauf hin, dass der Etat pro Studierenden an der Uni Hamburg 16.400 Euro beträgt – im Vergleich mit 37.500 Euro an der TU München, 77.600 Euro an der ETH Zürich und 345.000 Euro an der Stanford University („ZEIT Campus“, 2019). Das ist dramatisch. Wir brauchen mehr Kapital für die Bildung in Hamburg, mehr Förderung der schulischen und beruflichen Bildung und eine Kultur, die es Leistungsträgern attraktiv macht, nach Hamburg zu gehen.

Weltoffene Hansestadt wieder an die Spitze führen

Mittelmaß wird den Menschen nicht gerecht. Hamburg kann mehr! Natürlich, alle wissen: Die Herausforderungen für unsere Gesellschaft sind gewaltig: Transformation, Zeitenwende, Unsicherheiten. Die Hamburgerinnen und Hamburger wissen, dass es gerade deswegen besonderer Anstrengungen bedarf, um morgen die weltweit besten Löhne, die weltweit besten Sozialleistungen, die gesündeste Umwelt und eine voll funktionstüchtige Stadt zu haben. Das ist möglich. Aber dafür müssen wir uns in Hamburg neu herausfordern, um als Stadt morgen wieder spitze zu sein. Gerade weil wir in einer Zeit leben, in der die Krisen so groß sind wie seit Jahrzehnten nicht mehr und in der die alten Versprechen von Wachstum und Fortschritt einer neuen Begründung bedürfen.

Also: Kehr wieder, Spitze! Mit Zukunftsfreude, mit Leistung, Mut und Entschlossenheit. Zukunftsfreude setzt neue Kräfte frei, öffnet neue Perspektiven für gesellschaftlichen Zusammenhalt und wirtschaftlichen Erfolg, sie öffnet neue Horizonte für die offene Stadtgesellschaft und den sozialen Zusammenhalt. Im Interesse der ganzen Bevölkerung, allen voran der jungen Leute. Manches wird mit erheblichen Anstrengungen verbunden sein, wie die Stärkung unserer Bildungseinrichtungen, die Erneuerung unserer Infrastruktur, die Entschlackung unserer Verwaltungsverfahren. Fordern wir uns neu heraus! Mit Zukunftsfreude und Leistungsbereitschaft stehen wir in der besten Tradition, um unsere weltoffene Hansestadt in der Metropolregion und in ganz Nordeuropa wieder an die Spitze zu führen.