Hamburg. Miss Sophie und ihr Butler James gehören als TV-Tradition in Deutschland einfach zum Jahreswechsel dazu - 2022 seit 50 Jahren.
Obwohl Schwarz-Weiß, bringt dieser gespielte Witz alljährlich Farbe (und Freude) in viele Gesichter: „Dinner for One“ mit Freddie Frinton und May Warden. Der Sketch mit einem beschwipsten Butler ist in Deutschland so sehr mit Silvester verbunden wie Sekt und Feuerwerk.
Vor 50 Jahren - am 31. Dezember 1972 - wurde beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) in Hamburg die Fernsehtradition begründet, „Dinner for One“ stets an Silvester auszustrahlen.
„The same procedure as every year“ (Der gleiche Ablauf wie in jedem Jahr): Dieser Satz ist ein geflügeltes Wort geworden. Im Fernsehen gibt es keinen Beitrag, der so oft wiederholt wurde wie „Dinner for One“. Schon 1988 kam der Sketch ins Guinness-Buch der Rekorde als „am häufigsten wiederholte TV-Produktion“, wie es vom NDR heißt.
Dass das 18-minütige Stück TV-Unterhaltung zum Silvesterklassiker in Deutschland wurde, geht auf den früheren NDR-Unterhaltungschef Henri Regnier zurück. Er hatte 1972 die Idee, das Band für den letzten Abend des Jahres aus dem Archiv zu holen und den Sketch auszustrahlen. Warum Regnier (1917-1988) das mit diesem aufgezeichneten Bühnenstück tat und wie das damals genau ablief, kann 50 Jahre später beim NDR niemand mehr so genau sagen.
Jedenfalls vergeht seitdem kein Jahreswechsel mehr ohne „Dinner for One“. Vor 25 Jahren (1997) schauten laut NDR erstmals mehr Menschen „Dinner for One“ (11,9 Millionen) als die Neujahrsansprache des Bundeskanzlers (9,3 Millionen) - damals Helmut Kohl.
Im Jahr 2003 erreichten Frinton und Warden demnach sogar mehr als 13 Millionen Menschen. 2021 waren es noch mehr: „„Dinner for One“ wurde Silvester 2021 von rund 15 Millionen Menschen gesehen“, sagt eine NDR-Sprecherin auf Nachfrage. „Sie hatten mindestens für eine Minute Kontakt zu einer der Ausstrahlungen in den Dritten Programmen der ARD und im Ersten. Berücksichtigt sind „nur“ die Ausstrahlungen der Originalversion. Das heißt: nicht die diversen Mundartversionen.“
Als deutscher Entdecker von „Dinner for One“ gilt der Fernseh-Altmeister Peter Frankenfeld (1913-1979): Vor 60 Jahren, also schon 1962, hatte er zusammen mit dem Regisseur Heinz Dunkhase den Sketch im englischen Seebad Blackpool gesehen und für seine Sendung „Guten Abend, Peter Frankenfeld“ verpflichtet.
Dort lief der Sketch am 8. März 1963. Der gespielte Witz löste Begeisterung beim Publikum aus und bewog den NDR, Frinton und Warden nach Hamburg einzuladen, um dort im Studio B in Lokstedt vom 30. April bis 4. Mai 1963 eine Fernsehfassung fürs Archiv aufzuzeichnen. Frinton und Warden erhielten für den Auftritt laut NDR 4150 D-Mark.
Die Aufzeichnung wurde dann zwischen 1963 und 1972 hin und wieder als Pausenfüller im noch nicht allzu prall gefüllten Fernsehprogramm von ARD und NDR gezeigt. Erst neun Jahre nach der Erstausstrahlung bekam der Sketch dann seinen Sendeplatz an Silvester - und wurde Kult.
Der Inhalt des Dramoletts ist Millionen Menschen vertraut: Die alte Miss Sophie feiert ihren 90. Geburtstag allein mit ihrem Diener James. Er vertritt reihum Sophies bereits verstorbene Freunde Sir Toby, Admiral von Schneider, Mr. Pommeroy und Mr. Winterbottom und trinkt jeweils in deren Namen auf Miss Sophie.
Dabei wird Butler James immer betrunkener und fällt regelmäßig über den Tigerkopf-Teppich. Elfmal, um genau zu sein. Am Ende geleitet er Miss Sophie ins Bett. „The same procedure as every year.“
May Warden (1891-1978) war bei der legendär gewordenen Aufzeichnung etwa 18 Jahre von ihrem gespielten Alter entfernt, Butler-Darsteller Freddie Frinton war gerade mal 54. Er starb 1968, also bevor sein Schwipsspiel zum TV-Kult in Deutschland wurde - mit nur 59 Jahren.