Kolumnist Hajo Schumacher schreibt im Abendblatt über die Erfahrungen mit seinem Leihhund Michel.

Es handle sich bei Michel um einen Wachhund, der nachts auf Patrouille gehe, hatte uns sein Herrchen eingeschärft. Daher müssten wir alle Türen unserer Wohnung offen halten, andernfalls drohe Gebell und Gekratze. Zuvor sollten wir alle Laufwege von Rotweinresten und Schokolade befreien. Beides schätze Michel sehr, sein Magen aber nicht.

Wir bereiten uns auf die erste Nacht mit Leihhund vor. Das Körbchen haben wir beim Sohn deponiert. Die beiden Heranwachsenden verstehen sich prächtig, seit sie sich praktisch stündlich um den Block ziehen. Herrchen schickt uns im Stundentakt SMSen, die locker klingen sollen, aber von tiefer Sorge durchdrungen sind: wenig Futter, viel Kraulen. Ob Michel nachts in mein Bett springt? Mich mit der Schnauze abschleckt, die kurz zuvor noch den in dunkelsten Ecken des Trottoirs unterwegs war?

Dogtalk in der Grünanlage

Unruhige Nacht. Hundeträume. Ich werde gefressen, an der Hand wird schon geknabbert. Aber nein, kein Traum, sondern Michel, der mich mit seiner Leine im Maul anstupst. Verstehe. Kaum geschlafen, trotzdem schon fast hell. Seit die Nachtschwärmer im Körbchen bleiben, treffen sich im Morgengrauen nur noch Hundemenschen. Grundregel: In einer Grünanlage so lange stehen bleiben, bis sich ein anderer Hundemensch dazugesellt.

Dann Dogtalk. Ein eleganter Herr mit Wuschelhund nähert sich, während unsere besseren Hälften schnüffelnd einen Rundtanz aufführen. „Kein Problem“, sagt der Herr, „meiner ist ein Mädchen.“ Aha. Was will er mir sagen? Was mit Paarung? „Meine ist ein Junge“, könnte ich antworten. Werden Hunde gegendert, und wenn ja, wie? Hünd*Innen? Hund*Innen? Bellende?

Hunde sind wie Enkel

Ich winke und gehe weiter. Für Fachgespräche sollte man vom Fach sein. Ich könnte schwören, dass Michel traurig geguckt hat, als wir ihn zu Hause abgegeben haben. Hunde sind wie Enkel. Im Prinzip toll. Aber ist auch schön, wenn man sie wieder abliefern kann.