Hamburg. Raus aus der sklavischen Gramm-Prisen-Milliliter-Abhängigkeit. Gekocht wird „intuitiv“ – oder eher: was der Kühlschrank so hergibt.

Endlich darf man mal alles in einen Topf werfen und wird dafür auch noch gefeiert: „Intuitives Kochen“ heißt dieser neue Trend, bei dem nichts nach Rezept geht, aber alles nach Gefühl. Und halt danach, was der Kühlschrank am Sonntagabend noch so an Resten bereithält. Insofern waren wir vermutlich alle schon immer der Zeit voraus.

Aufgewärmt und jetzt richtig heiß gemacht hat das Ganze die Britin Katerina Pavlakis, die in in ihren erfolgreichen Onlinekursen „Gelassenheit am Herd“ lehrt. Vorbei sind die überambitionierten Phasen, in denen man noch mal hastig zum nächsten Biomarkt radelte, um ein seltenes Wildkraut zu holen. Nein, jetzt geht es – wie in jedem besseren Achtsamkeitstraining – nur noch ums Loslassen. In diesem Fall eben von Zutaten. Persönlich empfinde ich dafür größte Sympathie: Meine Lieblingsfolge von Alfred Bioleks legendärer Kochsendung ist immer noch jene, in der ein deutscher Comedian selbstbewusst ankündigte, einfach mal eine Käseplatte anzurichten.

Glosse: Kochmuffel wird's freuen

Die ehrenwerte „The New York Times“ hat die Bewegung auch längst erkannt und bereits im vergangenen Jahr ein Kochbuch mit „no-recipe recipes“ veröffentlicht. Nie waren unbeschriebene Seiten teurer. Böser Scherz. Selbstverständlich enthält es seitenweise Tipps, wie man endlich einen Ausweg aus dieser sklavischen Gramm-Prisen-Milliliter-Abhängigkeit findet.

Promi-Koch David Chang, Gründer der in den USA ultraangesagten Restaurantkette Momofuku, hat übrigens auch gerade einen neuen Leitfaden herausgebracht. Übersetzter Titel: „Wie ich lernte, nicht länger über Rezepte zu grübeln, sondern meine Mikrowelle zu lieben“.

Und auch da: Ich war noch nie so weit vorne wie bei diesem Trend.